„Sie dauerte mich. Um sie zu zerstreuen, ließ ich sie Stunden nehmen und borgte ihr Bücher. Sie las mit einer wahren Gier. Aber anstatt besser wurde es immer ärger und ärger mit ihr!“
„Das hätte ich Ihnen im voraus sagen können,“ meinte der Oberst. Ohne auf diese Bemerkung etwas zu erwidern, nahm Swoyschin seinen Bericht wieder auf:
„Sie trieb mich mit den unmöglichsten Fragen in die Enge, wie zum Beispiel, ob sie, wenn sie sich einmal von ihrer Vergangenheit losgelöst haben würde, noch das Recht hätte, einen Ehrenmann zu heiraten oder in einer anständigen Familie Erzieherin zu werden. Und andre solche Fragen, auf die es keine Antworten gibt, die sich in den Sackgassen der Civilisation die Köpfe wund stoßen. Mir war so schrecklich leid um sie, aber da ich gar keinen Ausweg mehr wußte und ich ohnehin zu diesem Verhältnis gekommen war wie der Pontius ins Credo, so zog ich mich zurück, löste es endlich schriftlich. Ich atmete auf, als es vorüber war. Eigentlich wunderte ich mich, daß sie die Trennung so ruhig hinnahm, – spottete mich aus dafür, daß ich die Person ernst genommen, und meinte, die tröstet sich mit einem andern.
Kurze Zeit darauf kommt meine Mutter mit meiner Cousine Annie nach Wien. Ich war selig und von früh bis abends mit den beiden beisammen, denen ich recht ausgiebig die Honneurs der Kaiserstadt
Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 1, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/060&oldid=- (Version vom 1.8.2018)