trat, saß Emma bereits halb angekleidet auf ihrem Bett, offenbar eine heftige Übligkeit bekämpfend.
„Na, wie geht’s dir denn, meine Alte, ein wenig besser?“ fragte die Gräfin, indem sie etwas aufgeregt, in dem Bewußtsein einer ihr drohenden Strafpredigt, auf die Nichte zutrippelte.
„Wo ist Gina?“ fragte Emma, die indessen fortfuhr, sich anzukleiden.
„Gina … ach Gina! … Aber was fällt dir denn ein, aufzustehen! Es ist elf Uhr in der Nacht, wir haben bereits in Monbijou soupiert, wir setzen uns nicht mehr zu Tisch,“ schwätzte die alte Gräfin. „Ich denke, das beste ist, du hungerst dich aus. Aber wenn du wirklich Appetit hast, so könnte man dir vielleicht etwas auf dein Zimmer …“
„Tante! Um Gottes willen, wo ist Gina?“ schrie jetzt Emma Ginori ganz außer sich.
„Gina? – Nun, Gina ist noch in Monbijou geblieben, sie befindet sich sehr wohl,“ erklärte die alte Gräfin, in der sich eine gelinde Opposition gegen die Nichte zu regen begann. Es war doch wirklich zu lächerlich, dieses ewige Gethue mit Gina und ihrer Gesundheit, diese ewige, die jüngere Schwester an aller Freiheit hindernde Bevormundung. „Sie wollte noch nicht nach Hause, und da die Märzfeld mir versprach, sie zu chaperonnieren und nach Zdibitz zurückzubringen, so ließ ich sie dort. Ich war schläfrig,
Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 2, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/165&oldid=- (Version vom 1.8.2018)