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die sie von Emma trennten, fuhr sie fort: „Die Liebe braucht sie!“ Damit stellte die weise Frau den Räucherkessel weg, was anzeigte, daß sie die Sitzung für beendigt hielt.

Emma erhob sich. „Noch eine Frage,“ bat sie, an die Wahrsagerin herantretend: „Ist es überhaupt ratsam für meine Schwester, zu heiraten? Könnte sie einen Mann glücklich machen?“

Die Wahrsagerin maß sie mit einem spöttischen Blick von oben bis unten, dann die Marchesina duzend, wie sie jede Bauernmagd duzte: „Ma che ti fa!“ rief sie heiser, „und wenn er stirbt, sie wird leben!“

Daran dachte Emma an diesem kalten Junitag, während Gina sterbend in ihren Kissen lag und die Bäume draußen wie im Spätherbst fröstelten.

Sie trat an das Bett der Schwester.

Sorella mia, wie geht’s?“

Die Leidende bewegte nur leise stöhnend den Kopf.

„Hast du einen Wunsch, Ginetta, sorella mia?“ Die kalte, gemessene Emma beugte sich über die Schwester und streichelte ihr volles Haar.

„Mach das Fenster auf,“ stöhnte Gina.

Emma that’s.

„Die Luft riecht feucht und modrig,“ murmelte Gina, dann setzte sie hinzu: „Wie ein offenes Grab!“

„Ach, Gina, Ginetta, wer wird an so traurige Dinge denken!“

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Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 2, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/196&oldid=- (Version vom 1.8.2018)