Seite:Vollmondzauber.djvu/206

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strecken sich die Schatten lang und schwarz. Unten gegen den Boden zu ist die Luft still, kein Grashalm regt sich. Nur hoch oben ist eine leise Bewegung. Die Wipfel der alten Bäume wehen hin und her und singen ein trauriges Lied.

Dort unten liegt der Kirchhof. Die goldenen Aufschriften der Kreuze blinken und blitzen im Licht der tiefstehenden Sonne.

Wie spät es geworden ist! Kommt Emma noch immer nicht? Da … ein Wagen, ein herrschaftlicher, rasches Rollen, und diesmal zieht’s nicht vorbei, nein, den Schloßberg herauf kommt’s.

Hastig schlüpft Gina in ihr Bett zurück.

Jetzt hört sie Emmas Schritt im Korridor: wie langsam sie geht, sie muß traurige Nachrichten bringen! Menschen, die Gutes zu berichten haben, gehen schnell. Ginas Herz hört auf zu schlagen, ihr ganzes Sein ist nur noch ein aufgeregtes Horchen.

Jetzt öffnet sich die Thür, Emma tritt ein, totenbleich, mit Regentropfen auf dem Hut und auf ihrer Jacke.

„Nun?“ Gina richtet sich in ihrem Bett auf. „Nun, Emma, was gibt’s?“

Am Fußende des Bettes ist Emma stehen geblieben, schweigend und mit einem starren, in sich gekehrten Blick.

„Du hast nichts erreicht?“ murmelt Gina.

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Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 2, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/206&oldid=- (Version vom 1.8.2018)