Als der Kastellan sein Versteck verläßt, sucht er die Fußspuren, die der von Nässe Triefende hinterlassen haben muß, findet aber nichts. Den nächsten Tag stellt es sich heraus, daß die Marchesa Ginori über Nacht irrsinnig geworden ist. Der Kastellan verriet einigen Vertrauenspersonen die nächtliche Erscheinung. Alle waren darüber einig, daß in jener Nacht die Gräfin ihren Liebhaber empfangen habe.
Da, kurze Zeit darauf, liest man in der Zeitung, daß der junge Varini bei einem Seesturm ertrunken ist, und zwar während derselben Vollmondnacht, in der der alte Kastellan in den Gängen von San Vitale die Erscheinung erblickt hatte. Genau dreiviertel Jahr danach kam Gina Ginori zur Welt und kostete der Mutter das Leben. Alle, die den verstorbenen Guido Varini gekannt haben, behaupten, daß sie ihm wie aus dem Gesicht herausgeschnitten sei.
Da haben Sie die ganze Räubergeschichte. Genier’ mich eigentlich, so was nachzuschwätzen, aber Sie waren neugierig, und unheimlich ist die Sach’, meinen S’ nicht? Bei mir freilich geht das in ein Ohr hinein und zum andern hinaus, aber die Leut’ erklären sich daraus alles mögliche. Für mich ist das einzig’ Interessante bei der G’schicht nur der Umstand, daß die Mutter vor der Entbindung wahnsinnig war … Aber hier sind wir, Herr Oberst,
Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 2, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/217&oldid=- (Version vom 1.8.2018)