kam die Sonne später, und jeden Abend ging sie früher unter.
Aber die kurzen Tage waren in Anbetracht der Jahreszeit wunderbar schön, von krankhafter herbstlicher Verfallspoesie durchweht.
Von einem Tag zum andern hatte der Oberst auf ein Wunder gehofft, auf einen Machtspruch des Schicksals, das zur rechten Zeit eingreifen würde, den jungen Freund zu befreien.
Heute hoffte er nicht mehr, denn es war der einundzwanzigste Oktober, der Vorabend von Gina Ginoris Hochzeitstag.
Sehr großartige Dinge hatte man, anbetrachts des prekären Gesundheitszustandes der Braut, nicht unternehmen können. Dennoch hatte sich die Gräfin Zell bemüht, der Feier ein heiteres Gesicht zu geben.
Sie hatte ein halbes Dutzend Komtessen eingeladen, welche Gina als Kranzeljungfern dienen sollten, die schöne Baronin Forstheim war mit der alten Gräfin Ronitz gekommen, die jetzt für sie schwärmte, und natürlich hatte man noch dementsprechend junge Herren und die unvermeidlichen Angehörigen all dieser Jugend gebeten.
Das sollte alles im Schloß übernachten, da es auch an einem Polterabend nicht fehlen durfte.
Bärenburg, der sich in die Verlobung so wenig wie alle andern nicht hinein verstand und den Obersten
Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 2, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/266&oldid=- (Version vom 1.8.2018)