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meine Gedanken bezeichnen wollte, oder nicht; aber im Zeichen selbst war keine Willkür.


Diese Bezeichnung der Dinge durch die Nachahmung ihrer in die Sinne fallenden Eigenschaften gab sich leicht. Der Löwe wurde z. B. durch die Nachahmung seines Gebrülls, der Wind durch die Nachahmung seines Sausens ausgedrückt. So wurden Gegenstände, die sich durch das Gehör offenbaren, durch Töne ausgedrückt: andere, die sich durchs Gesicht ankündigen, konnten im leichten Umriß etwa im Sande nachgebildet werden. Z. B. Fische, Neze, mit einigen Gesticulationen und Winken gegen das Ufer hin begleitet, waren für den, an welchen diese Zeichen gerichtet waren, eine Auffoderung zum Fischen.


Diese Sprache war leicht erfunden, und hinreichend, wenn etwa zwei beisammen waren, um sich zu unterhalten, oder in der Nähe zusammen arbeiteten. Jeder giebt auf des Andern Zeichen Acht: der eine ahmt einen Ton nach, der andere auch; der eine zeichnet etwas mit dem Finger, der andere auch. So verstehen sie einander: der eine weiß, was der andre denkt, und dieser weiß, was jener will, daß er denken solle. Man stelle sich aber vor, daß diese zwei für sich arbeiten, und entfernt von einander sind, z. B. auf der Jagd. Einer will dem andern einen Gedanken mittheilen, der sich nur durch ein Zeichen fürs Gesicht ausdrücken läßt; aber zum Unglück richtet der andere seine Blicke nicht auf ihn, oder kann seine Zeichen wegen der großen Entfernung nicht

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Johann Gottlieb Fichte: Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache. Hofbuchhändler Michaelis, Neu-Streelitz 1795, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_der_Sprachfaehigkeit_und_dem_Ursprung_der_Sprache_268.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)