Seite:Von der Sprachfaehigkeit und dem Ursprung der Sprache 288.png

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vorstellt. Ein solcher Mensch, auf dessen Reden man vorzüglich achtet, wird sich durch Gewohnheit eine Geläufigkeit im Sprechen erwerben, und durch diese Geläufigkeit bald dahin kommen, daß er die Dinge nur flüchtig bezeichnet, sich es nicht übel nimmt, den oder jenen Ton im Reden zu überspringen. Man wird sich an diese Abweichung bald gewöhnen, und diese flüchtigere Bezeichnung leicht verstehen lernen. Allmählich wird er sich von der eigentlichen Nachahmung der natürlichen Töne immer mehr entfernen, seine Bezeichnung wird nach und nach flüchtiger kürzer und leichter werden, so daß sich — vielleicht nach einem Zeitraum von einigen Jahrzehnden schon — zwischen seiner Bezeichnung eines Gegenstandes und dem natürlichen Ton, durch welchen sich dieser dem Gehör ankündigt, kaum noch eine Aehnlichkeit wird entdecken lassen. Die Andern, die sich bemühen, diese leichtern Gehörzeichen verstehen zu lernen, werden es bald bequemer finden, diese Art zu sprechen, die sich durch ihre größere Leichtigkeit empfiehlt, auch nachzuahmen.


Je weiter nun die Menschen in dieser von der Natur sich entfernenden Bezeichnungsart fortgiengen, desto lebhafter mußte sich ihnen, selbst bei der flüchtigsten Aufmerksamkeit auf sich selbst, und ihre Art, sich auszudrücken, die Bemerkung aufdringen, daß, da man Dinge fürs Gehör auf eine andere Art, als sie von Natur tönen, ausdrücken könne, man vielleicht auch Dinge, die an sich tonlos sind, durch einen Ton bezeichnen könnte. — Welchen Weg mußte man nun einschlagen, um diesen Gedanken zu realisiren?

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottlieb Fichte: Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache. Hofbuchhändler Michaelis, Neu-Streelitz 1795, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_der_Sprachfaehigkeit_und_dem_Ursprung_der_Sprache_288.png&oldid=- (Version vom 7.7.2018)