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Aber wie sollte man diese Ausdrücke immer verstehen, und behalten? — Man muß sich nur nicht vorstellen, daß dies alles auf einmal und plötzlich geschehen sei. Der Sprecher brachte nicht etwa ganze Reihen neuer Töne vor, die er auf einmal zu behalten ausdrücklich aufgab; sondern die Ausdrücke kamen im Fluß der Rede einzeln vor, und waren, wenn auch nicht an sich, doch durch den Zusammenhang mit andern bekannten Worten verständlich. Aller Augen und Ohren sind auf den Redner gerichtet; man merkt genau auf ihn, prägt sich das Gehörte sorgfältig ein, und gebraucht die gelernten Zeichen nachher auch in seiner Familie.


Bisher waren wir beschäftigt, zu zeigen, wie einzelne Gegenstände fürs Gehör bezeichnet wurden. Mit mehreren Schwierigkeiten wird die uns nun bevorstehende Untersuchung über Bezeichnung allgemeiner Begriffe verbunden sein. Es giebt in der Wirklichkeit keinen Gegenstand, der, außer dem Merkmale seines Geschlechts, nicht auch das Merkmal einer besondern Gattung dieses Geschlechts an sich trüge. Es giebt zum Beispiel keinen Gegenstand, von welchem sich weiter nichts sagen ließe, als daß er ein Baum, und nicht zugleich, daß er etwa eine Birke, Eiche, Linde u. s. w. sei. Wie kam man demnach darauf, allgemeine Begriffe, z. B. den des Baumes, auszudrücken?


Zu Bezeichnungen der Gattungsbegriffe gelangte man sehr leicht. Ein Hausvater zeigte einem seiner Kinder eine Blume, die er Rose nannte. Bald darauf schickt er

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Johann Gottlieb Fichte: Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache. Hofbuchhändler Michaelis, Neu-Streelitz 1795, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_der_Sprachfaehigkeit_und_dem_Ursprung_der_Sprache_292.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)