Seite:Von der Sprachfaehigkeit und dem Ursprung der Sprache 296.png

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Wort hier in dem Sinne nehme, in welchem man es vor der Wissenschaftslehre genommen hat, und nehmen mußte. Ich erkläre den Begriff der Substanz transscendentell nicht durch das Dauernde, sondern durch synthetische Vereinigung aller Accidenzen. Die Dauer ist nur ein sinnliches Merkmal der Substanz, welches man aus dem Zeitbegriff hineinträgt. Offenbar ist nicht das Dauernde, sondern nur das Wandelbare Gegenstand unserer Wahrnehmungen. Denn, da jede äußere Vorstellung nur durch ein Afficirtwerden entsteht, welches nur dadurch möglich ist, daß ein Eindruck auf unser Gefühl geschieht, folglich eine Veränderung in uns veranlaßt wird; so ist klar, daß jeder Gegenstand, dessen wir uns bewußt werden sollen, sich uns durch und in einer Veränderung ankündigen müsse. Etwas bleibendes ist demnach nicht wahrnehmbar; aber wir müssen alle Verwandlung auf etwas Bleibendes beziehen — auf ein dauerndes Substrat, welches aber nur ein Product der Einbildungskraft ist. Auf dieses Substrat wird nun das Wort sein oder ist angewendet. Keine Handlung unsers Geistes wäre ohne ein solches Substrat, und ohne eine Bezeichnung für dasselbe keine Sprache möglich. Daher kömmt das Wort Sein in einer Sprache vor, sobald sie nur anfängt, sich zu entwickeln. Aber es kömmt unter keiner andern Bedeutung vor, als daß es das Dauernde, welches allem Wechsel zum Grunde liegt, anzeigt.


Eine andere noch schwierigere Untersuchung, welche wir anzustellen haben, betrifft die Erfindung von Zeichen für geistige

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Johann Gottlieb Fichte: Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache. Hofbuchhändler Michaelis, Neu-Streelitz 1795, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_der_Sprachfaehigkeit_und_dem_Ursprung_der_Sprache_296.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)