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Verschiedene: Wünschelruthe


bleibt. Der Keim hierzu lag allerdings schon in den ältern englischen Schauspielen, und wir zweifeln, daß ein deutscher Shakspeare dieses gewollt haben würde. Nun aber ging Shakspeare auf der andern Seite so weit, daß er im Macbeth, wo er einen ganz neuen Chor, auf das gewaltigste in die Handlung des Stücks eingreifend, und die demselben zum Grunde liegende Idee auf das vollkommenste aussprechend, aufstellte, in diesem Chor selbst wieder die Parodie der Erscheinung mit der Idee so scharf ausdrückte wie es irgend geschehen konnte; zwar so daß dieser Chor nicht leicht hätte ein stehender werden können, aber mit einer so durchgreifenden Herrlichkeit, daß es danach wohl kein Dichter wieder wagen mochte, einen auch in der Erscheinung über den Handelnden erhabenen Chor auftreten zu lassen.

Man kann vielleicht überhaupt annehmen, daß die Deutschen ein geringeres Hinneigen, als wir bei den Engländern, wenigstens zu Shakspeares Zeit finden, zu einem Elemente der Parodie haben, vermöge dessen irgend eine Idee der Natur sich zugleich mit ihrer Erscheinung in einem und demselben Gegenstande zeigt. Und auf dieses gründet sich vorzüglich die ungeheure, zugleich niederbeugende und erhebende Ironie Shakspeares. Nicht als ob diese Neigung dem deutschen Volke geradezu fremd wäre; aber die Gegensätze verschiedner Seiten in Einem menschlichen Gemüth erscheinen bei uns weniger scharf, oder nehmen leichter Einen Charakter an, und werden so unter einander befreundeter und milder. Anders äußert sich dieß bei dem Gegensatze zwischen Gut und Böse, wo wir mehr eine reine Begeisterung lieben und uns an ihr freuen, wenn wir sie auch für einseitig erkennen, anders bei dem zwischen Tragisch und Komisch, wo die Parodie des Pathos und Schmerzes, die im Pathos und Schmerze selbst liegt, bei uns mehr in den ernstern und wehmüthigern Ton einstimmt. Für die dramatische Poesie mußte jene Neigung besonders günstig seyn, weil die Tiefe des menschlichen Gemüths hier durch sie am deutlichsten und ergreifendsten dargestellt wurde; weit weniger für die bildende Kunst, die bei einer körperlicheren Belebung der Gedanken eine größere Vereinzelung derselben fordert, so daß das Hohe ganz und rein in seiner Höhe auftritt, weil jene Mischung, wo sie nicht durch die Zeit gesondert werden kann, dem Blick verzerrt erscheinen würde, und erst der Geist mühsam die Wahrheit heraussuchen müßte. Auch muß man die den Deutschen eigne Parodie zunächst in ihren Bildwerken suchen, und da erscheint sie uns am vollendetsten bei Albrecht Dürer, nicht dem größten unter allen deutschen, aber dem deutschesten unter allen großen Malern, anders und zum Theil, wenigstens späterhin, schwächer bei den rheinischen und burgundischen Künstlern. Unter den Dichtern aber ist gewiß die reinste deutsche Parodie bei Jean Paul zu suchen. Es ist hier nicht der Ort zu einer weitern Ausführung dieses Umstandes, nur insofern er Einfluß auf die Einführung des Chors bei uns haben kann, mußte er angeführt werden.

(Der Schluß folgt.)




     Der Lindenzweig.

Sommer will aus heißem Herzen
     Alle seine Lieben grüßen;
     Sommer naht mit süßen Scherzen,
     Alles an die Brust zu schließen.

5
Vöglein fliegen in den Lüften,

     In dem weiten Blau sich wiegen,
     Trinken Wohllaut aus den Düften
     Die der thau’gen Blüt’ entstiegen.

Setzet sich die Nachtigalle

10
     Auf den Zweig der blüh’nden Linde,

     Und vom lockendlieben Schalle
     Bebt das duft’ge Laubgewinde.

Setzet sich ihr süßer Gatte
     Ueber ihr auf zartem Zweige,

15
     Daß der Zweig ihr freundlich schatte,

     Und sich zu ihr niederbeuge.

Neige liebend dich, o neige,
     Grüner Zweig der blüh’nden Linde,
     Neige dich zum andern Zweige,

20
     Daß die Liebe Liebe finde.


Und es beugt der Zweig sich nieder,
     Küßt den Zweig mit sanftem Beben,
     Und es küssen sich die Lieder,
     Und ein Kuß ist Beider Leben.

25
Holder Zweig, wie wird die Blüte

     Hell und warm auf dir sich zeigen!
     Mögst zum liebenden Gemüthe
     Sie dann mild herniederneigen.

Hans auf der Wallfahrt.




Lebensweisheit.

Es steht ernsthaft in einem philosophischen Buch: Der Verstand des Einen sagt, es giebt keinen Gott, der Verstand des Andern, es giebt einen Gott. Wie finden wir uns da heraus? Mit dem alten goldnen Spruch: die Wahrheit liegt in der Mitte, und am Ende werden Beide Recht behalten. –

Was thut man zuerst, wenn’s in der Stadt brennt? fragte Professor M. in L. einen Student im Examen aus der Polizei: „Man trifft Anstalten zum Löschen.“ „Ganz falsch, sagt M.; man fragt zuerst: wo brennt’s?“ –

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_032.jpg&oldid=- (Version vom 7.12.2018)