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Verschiedene: Wünschelruthe


     Wo die Händ' im Schlaf gefalten,
Und die Füße sich geschlossen,
Mußte Krankheit mir gestalten,
Was mich innerlich durchflossen.

65
     Kron und Kreutz aus Stirn und Herzen

Sind der Leiden blutge Kunde,
Linderten der Krankheit Schmerzen,
Floß das Blut aus jeder Wunde.

     Wenn mein Herz zu Gott beweget

70
An dem Tag, wo er gelitten,

Floß das Blut, vom Geist erreget,
Wohlseyn lohnte meine Bitten.

     Fühlt den Schmerz, den ich gelitten,
Betet stets bey diesen Zeichen,

75
Und natürlich wird erstritten,

Was dem Wunder wohl mag gleichen.

     Eine Wahrheit glaubt den Zeichen,
Daß ich nie vom Herrn gewichen,
Nur der Geist kann ihn erreichen

80
Nie hat er den Leib bestrichen.


     Wenn die Zeichen hier erblassen
Ehret ihn in seinen Worten,
Die er sterbend uns gelassen,
Sie eröffnen Himmelspforten.

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     Betet nicht zu todten Leichen,

Lebend Wort ist Fleisch geworden,
Wohnet unter uns als Zeichen,
Weihte mich zum keuschen Orden.“

     Bey dem Worte sinkt sie nieder,

90
Und der Eine, der gesprochen,

Ruft: „Ich seh dich Seele wieder,
Wenn die Augen mir gebrochen.

     Fromme Lüge nahm mir Glauben
Trieb aus Kirchen mich ins Freye,

95
Wenn das Blatt fällt reifen Trauben,

Wahrheit führt zurück zum Glauben.

     Wahrheit, die dem Volk gebeichtet
Ist der echte Glaubens Zunder,
Wahrheit wärmet und erleuchtet

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Nie erlischt ihr ewges Wunder.“
L. Achim v. Arnim.




Geschichte eines Algierer-Sklaven.
(Fortsetzung.)


Nach fast 6 Jahren, im Frühiahr 1788, wird dem Fürstbischof von Paderborn, während gerade in der Zeit des Landtags Mehrere von der Ritterschaft worunter auch der Drost H..n, bei ihm an der Mittagstafel sitzen, ein Brief gebracht, welchen er, nachdem er ihn gelesen, dem Drosten giebt, „das betreffe jemand aus einem seiner Dörfer und wie sich das verhalte, ob man etwas dafür thun solle?“ Der Drost, nach aufmerksamer Lesung, giebt ihn dem Fürsten zurück: „Er überlasse das der Einsicht ihrer Fürstlichen Gnaden, der Mensch sei übrigens im stärksten Verdacht eines begangenen Mordes, und man würde ihn dort nur befreien, um ihn hier den Händen der Gerechtigkeit zu überliefern“. –

Der Brief aber lautet wörtlich so:

     Ihro Hochfürstlich Gnaden durchleichtigster Printz. Mein allergnädigster Herr herr etc.

Ich armer bitte Unterthänigst. zu vergeben daß ich mein Schreiben. an ihro durchleichtigsten Printzen Ergehen laße. in deme ich nach Gott Einzig und allein meine Zuflucht zu ihro Gnaden meinen allergnädigsten Landesherren suche, hoffe meine Bitte erhöret zu werden.

Ich Johannes Winkelhannes von den Paderpormschen auß Pelersen deß fürstenthum von Neuhaus gebürtig, von der Dioces Churfürstenthum Cöllen. Mein Vatter hermanns und meine Muetter Maria Elisabetta Abgentz, deßen Ehlich Erzeigte Sohn stunde in spanischen Dienste untter dem löbl. Regiment Provante geriethe Sklavische Gefangenschaft worinnen ich schon über zwei Jahre lang in diesem so erbermlichen Leben bin, Wenn man sollte sprechen das Ellend der Christen unde wie sie von diessen Barbaren dractieret werden, ist mir unmöglich zu schreiben, und die teglichen Nahrung bei so schwerer Arbeit miserable Kleidung sollte ein steinernes Herze zum Mitleiden bewegen. Doch meiner seits Gott sei Dank habe ich einen guetten Patron bekhomen, welcher der erste Minister nach dem Bei ist, und wird Casnätzi genannt, wo ich an Unterhalt undt Kleidung keinen Mangel leidte doch in bedenkung ein Sklave den Christenthum Entzogen, und meiner Schuldigkeit als ein Christ nit nachkommen kann. Keinen Trost. Undt zuflucht bei keinen Menschen mich dieses Jemerlichen Standes zu entziehen, so setze ich nun mein Vertrauen und Zuflucht zu ihro hochfürstliche gnaden Kniefehlich mit bitteren Thränen bittend durch das bittere Leidten und Sterben Jesu Christi sich meine zu erbarmen, mich dieses Ellenden Sclaven-Stande Loß zu machen und mir wiederum in mein liebes Vatterlandt zu verhelfen es ist in Wahrheit es ist Villes Gelt nachendt bei Dreihundert Ducaten, doch wird solches Gott der Allmechtige solches an ihrer hoch fürstliche Gnaden reichlich vergelten bittend anbey dieses mein Schreiben an meine libe Eltern und befreunde wissen zu thun, so sie annoch bei Leben seyen mochten laße

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Verschiedene: Wünschelruthe. Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1818, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_046.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)