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Verschiedene: Wünschelruthe

Was hilft viel Geld haben, wenn der Teufel die Schlüssel dazu hat.




Der Alchimist.
Eine wahre Geschichte.




Es war fast Mitternacht; Regen und Sturm begehrten rauschend und brausend Einlaß an den geschloßnen Laden einer niedrigen Werkstatt, worin Fazio der Goldschmied, vor einem chemischen Ofen kauernd, ämsig die Glut schürte, welche züngelnd um einen verkitteten Tiegel leckte; er erhitzte die Kohlen mit dem Blasbalg, daß sie zersprangen, knisternd flogen die Funken auf ihn ein wie gereitzte Bienen, in dem glühenden Sprühregen mußte er oft nach dem Krug Wermutwein langen, die lechzende Zunge zu erfrischen. Ein röthliches Licht hatte sich an mancherlei seltsames Geräth neben ihm gelegt, während Dunkelheit mit geheimnißvollem Schleier den Hintergrund des Gemaches verhüllte. Durch die nur angelehnte Thür zogen die giftigen Dämpfe, aus langer Gefangenschaft befreit, eilig fort in die Straßen der Stadt; ein Smaragd in des Meisters Munde wehrte jeder feindseligen Einwirkung, Valentina des Goldschmieds Hausfrau, die mit den beiden Kindern ausgegangen war nach dem nachgelegnen San Giuliano, den Segen ihres sterbenden Vaters einzuholen, hatte ihn erwünschter Einsamkeit überlassen, auch war es Freitag, der Mond stand im Zeichen des Löwen, Himmel und Erde zeigten sich dem wichtigen und geheimen Werke günstiger als je – dazu sang das brodelnde Erz im Tiegel in goldnen Melodieen von der Erfüllung lang gehegter Hoffnungen, von stolzen Villen, von prangenden Gärten, von aller Lust und Herrlichkeit des Reichthums und des Ansehns. – Fazio rieb den Probierstein blank, der, brauchbar bei der höhern Scheidekunst, auf dem Werktisch bleiben durfte, wenn das übrige Kunstgeräth bestaubt und vergessen in einem Winkel träumte. Nun hatte zwar der kluge Stein schon oft von der Nichtigkeit und Verderblichkeit des neuen Beginnens gesprochen, wenn ein Besitzthum nach dem andern zu Metallasche verbrannt, oder als werthloses Gut aus dem Schmelzfeuer des Alchimisten hervorging, allein dieser wußte alles Mislingen ungünstigen Zufällen oder dem Einfluß widerwärtiger Gestirne zuzuschreiben, und war des festen freudigen Glaubens, daß bei dem heilversprechendem Stande der Planeten heute unfehlbar aus dem wunderbaren Bunde Jupiters und Merkurs, unter dem dunkeln verschwiegnen Mantel Saturns, Sol das goldne Kind glänzend hervorgehen und das philosophische Brautbett schmücken werde; so genau hatte er alle Weisungen und Vorschriften der Adepten in Acht genommen; keine Zurüstung war versäumt, keine Vorsicht vernachlässigt. Tinkturen, Elixiere, fleißig und sorgsam bereitet, warteten in glänzenden Kristallflaschen und Violen, den neugebornen leuchtenden König der Metalle zu baden und zu salben. –

Warum eigentlich der Alchimist die siebente und höchste Stufe seiner Kunst noch nicht ersteigen konnte, von der herab man das Wunderwerk und Geheimniß der Natur klaren Auges überschaut und ihren Kräften mit der Gewalt der Wahrheit zu gebieten weiß; ob ihn eine noch zu jugendliche Flüchtigkeit des Sinnes unfähig machte, beschaulich in die Mysterien der alten erprobten Lehren einzudringen, ob er die heilige Kunst aus irrigen und unlautern Beweggründen suchte? – dieses müssen wir dahin gestellt sein lassen; genug die Arbeiten waren bis dahin misglückt, und eine nicht geringe ererbte Habe zu einem unansehnlichen Meierhof, außer dem Häuschen in der Stadt, zusammengeschmolzen. – Der Eifer des Meisters erkaltete nicht. –

Dumpf erscholl vom nahen St. Stephans Thurm das Zeichen der Mitternacht, wie Schwäne zogen die mächtigen

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_061.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)