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Verschiedene: Wünschelruthe


5
     Und ist das Thürmchen auch versunken

Wonach ich schau’, in blaue Luft,
Muß doch auf alle Berge steigen,
Weiß nicht, wer so hernieder ruft.

     Und muß nach jener Gegend schauen,

10
Wo ich das Thürmchen sonst gesehn,

Daß mir zuletzt von allem Schauen
Die müden Augen übergehn.

     Und in dem nassen Blick verschwimmen
Mir Feld und Fluß und Berg und Thal,

15
Und durch die trüben Tropfen flimmert

Es wie ein heller Mondenstrahl.

     Dann hab’ ich in dem goldnen Lichte
Das liebe Thürmchen oft gesehn,
Und hat mir’s manchmal gar geschienen,

20
Als thät mein Schätzchen oben stehn,


     Und schaute nach der Straße nieder
Und schaute nach den blauen Höhn,
Daß ihr zuletzt von allem Schauen
Die müden Augen übergehn.

25
     Ich muß auf alle Berge steigen,

Die rechts und links am Wege stehn,
Und muß herab von allen Bergen
In weite, weite Ferne sehn.

Wilhelm Müller.




Cornelia Bentivogli.




(Schluß.)

Die Herzogin harrte in schmerzlicher Bangigkeit der Rückkehr ihrer Beschützer; als es aber bald Mittag war, und sie noch immer nicht erschienen, faßt sie Argwohn, sie möchten sie ihrem Bruder verrathen haben, oder selbst von diesem verfolgt werden. Daher glaubte sie sich hier fürder nicht mehr sicher, und beschloß, in Kleidern der Hauswirthin mit ihrem Kinde sogleich aus Bologna gen Ferrara zu entfliehen. Die gutmüthige Hausfrau drang darauf, sie begleiten zu dürfen, erwähnend, der Pfarrer eines Dorfes an dieser Straße sey ihr verwandt, bei ihm könnten sie in jedem Falle freundliche Aufnahme finden. So zogen denn auch beide Frauen mit dem Kinde aus Bologna, und gelangten nach etlichen Stunden zu dem Pfarrer, wo Cornelia sich so ermattet fühlte, daß sie hier zu übernachten sich wohl mußte gefallen lassen.

Die drei jungen Ritter aber mochten eben ein Paar Stunden über dasselbe Dorf hinaus gekommen seyn, da sahen sie in der Ferne einen Reiterzug herantraben. Bald erkannte Juan den Herzog inmitten, und Lorentio sagend, er wolle dem sogleich die Ausforderung bringen, sprengte er auf ihn zu. Auch der Herzog hatte an seinem Hute in dem Nahenden sogleich seinen Retter wieder erblickt, und war nun doppelt freudig überrascht, als ihm dieser statt der Ausforderung auf das Umständlichste Nachricht gab von seiner Gemahlin und seinem Kinde, und zulezt erst von Lorentio’s Irrthum. Schnell ritt nun der Herzog mit ihm auf den feindlichen Schwager zu, und erklärte dem bei seiner Ehre, wie er seine Schwester und sein Geschlecht keineswegs beschimpft, sondern mit ihr längst heimlich verehlicht, auch gerne bereit sey, vor aller Welt sich nochmals feierlichst mit ihr einsegnen zu lassen. Da brach der Stolz, in der Schwester Ferrara’s Herzogin zu sehen, Lorentio’s Zorn, und alle Vier zogen jezt versöhnt und in vergnüglicher Eile, vereinten Gefolges, zurück gen Bologna.

Von dem Pfarrhofe hatte Cornelia’s Begleiterin indeß sorglich die Landstraße beobachtet zu der Herzogin Sicherheit; nun gewahrte sie mit Eins die vier Ritter fröhlich und schnell in das Dorf reiten, und lief ganz verwundert in das Haus, der Herzogin die seltsame Botschaft zu bringen. Aber die Spanier hatten sie gleichfalls noch erblickt, und, irgend etwas Besonderes ahnend, sprengten sie in den Hof und wollten, von den Rossen fliegend, eben in das Haus, als der Pfarrer ihnen den Weg vertrat, sie zweifelnd anschauend. In ihrer Fröhlichkeit aber schrieen sie nun so laut, Alles sey versöhnt, der Herzog sey da, daß es bis zu Cornelia drang. Die kam jezt, ihr Kind auf den Armen die Treppe herabgeeilt, dem Gemahl und Bruder entgegen. Eben waren die auf der Spanier Geschrei auch eingeritten, und der Herzog stürzte vom Pferde zu Cornelia’s Füßen und Lorentio reichte ihnen die Hand zur Versöhnung. – Weil sie nun aber eben hier bei dem Pfarrer so unverhofft sich wieder gefunden und vereint hatten, mußte der Cornelia und Alfonso noch denselben Abend in seiner Kirche feierlich einsegnen. Am andern Morgen zogen dann Alle nach Bologna, und bald nachher nach Ferrara zurück, wo der Herzog seine Vermählung mit große Pracht feierte.

Die beiden spanischen Studenten aber stiegen durch diesen Vorfall bei den Frauen und Mädchen Bologna’s in noch größere Gunst, und blieben auch von nun an in innigster Freundschaft mit dem herzoglichen Ehepaar, kamen auch später noch oft aus Spanien nach Ferrara, sich des Abenteuers jener Nacht in Bologna zu erfreuen.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Wünschelruthe. Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1818, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_063.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)