Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 087.jpg

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Verschiedene: Wünschelruthe


Ist weise, und wenn ihn Midas Ohren schmücken.
Gold ist die Kraft, das Mark der Welt, ihr Nerve,
Gesundheit, Seele, göttergleiche Schönheit;
Die goldne Larve birgt jedweden Mangel;
Gold ist Arznei des Himmels, Lebensbalsam.
O, darum mach mich reich, nicht wie der Knicker,
Der magre Kost nur seinem Auge vorsetzt,
Gold hat, doch hungert, darbt bei vollen Händen:
Laß immer reich mich sein, und stets verschwenden.
Fortuna. Dein letztes Wort entscheidet dein Geschick.
Du sollst beständig reich sein, stets verschwenden.
Hier nimm den Beutel, (sie giebt ihm einen ledernen Beutel) damit diese Kraft:
So oft du deine Hand in diesen steckst,
Sollst du zehn Stücke glänzend Gold hervorziehn,
In jedem Lande gültig, wo du lebst.
Wenn du die See ausschöpfen kannst in Tropfen,
Dann wird dir’s fehlen; dies kann nie geschehen,
Und nimmer wird der Beutel leer.
     Fortunatus. Ich danke.
Fortuna. Dies währt, so lang du lebst und deine Söhne.
Der Weg führte ich nach Cyprus. Mach dich fort.
Fahr wohl du gierger Narr. Es wird dich reuen,
Daß du der Weisheit göttliche Umarmung
Verschmäht hast, Schlacken haschend; aller Noth
Entschwangst du dich, die sterblichen hier droht.
Dein Loos ist Sorge jetzt, und rascher Tod.
Könige. Die Sorg’ ist unser Loos, uns flieht der Tod.
     (Fortuna geht ab mit den übrigen in der Ordnung, wie sie aufgetreten waren, während des obigen Gesanges):
          Fortuna lächelt, o Seligkeit u. s. w.
Fortunatus (allein). „Dein Loos ist Sorge jetzt, und rascher Tod.“ Wie so, rasch? Muß ich morgen sterben, will ich heute vergnügt sein; wenn erst übermorgen, will ich morgen vergnügt sein. „Dein Loos ist Sorge jetzt.“ Wo wohnt Sorge? ha, ha! in welcher Gegend wohnt Sorge, damit ich mir einen anständigen Nachbar aussuchen kann? Etwa an den Höfen der Fürsten? Nein. - Unter schönen und vornehmen Frauen? Auch nicht. Die haben nur die Sorge, wie sie sich recht putzen sollen. - Also wohl unter Stutzern? Pfui, pfui, nein. Sorge fürchtet sich wahrhaftig vor einem vergoldeten Degen; der Geruch des Moschus ist Gift für sie; sie erstickt im Tabacksdampf, reiche und knapp anliegende Kleider drücken sie zu Tode. Fürsten, vornehme Frauen, Gott grüß Euch denn. Diese naß-äugige Person, die Sorge, wohnt bei armen Teufeln. Ein armer Teufel ist, wer Mangel empfindet; ich empfinde keinen, wenn ich nimmermehr arm bin; derobalben, Sorge, verbanne ich dich aus meiner Gesellschaft. Ich kann gar nicht begreifen, was das für eine blinde Frau Gevatterin ist, diese freigebige Madam. Zu den gutwilligen muß sie wohl gehören, da sie so wenig Umstände macht. Fortuna ist ihr Name. Na, es kömmt nicht darauf an, was sie ist, wenn sie nur erfüllt, was sie sagt: „Du sollst beständig reich sein, stets verschwenden.“ Der Tausend! (Er faßt langsam in den Beutel). Aber ich fühle nichts, was mich reich machen kann. Hier ist keine Musik „mit ihren Silberklängen“ zu spüren. Suche weiter unten. (Er holt Gold heraus). I, alle Wetter! ha, ha. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun und zehn; richtig, gerade zehn. Es ist wahrhaftig Gold, es ist so schwer. Versuch es noch einmal. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn. Wieder richtig! Gerade zehn. Ha! ha! ha! das ist unvergleichlich. Eine lederne Münze. Vortrefflich! Eine indianische Goldmine in einem Lammsfell. Ich will drei bis vier große Säcke für meine Söhne voll machen, aber das hier für mich behalten. Wenn der hagre Tabaksdampfer mit dem schwarzgelben Gesichte, der Tod, der alles in Rauch verwandelt, mich so geschwind in Asche verwandeln soll, will ich wenigstens nicht in Asche trauern, sondern in Musik. Frisch, heißa lustig! alter Junge. Hierin liegt Reichthum, Weisheit, Kraft, Gesundheit, Schönheit und Lebensdauer, wohlbemerkt, wenn ich nicht bald sterbe. Du allerliebster Beutel, ich küsse dich! Fortuna, ich bete dich an! Sorge, du bist mir zu gemein! Tod, mit dir nehme ich es auf! (Ab).




Vor dem Frühling.




     Die Knospe in den Windeln lieget,
In einem Bett von Strahlengold,
Ein lauer Wind sie stille wieget,
Bis sie aufschlägt das Auge hold.

5
     Die Zweige träumen schon die Lieder,

Die ihnen bald der Frühling singt,
Sie dehnen ihre starren Glieder,
Weil Sonnenblut sie frisch durchdringt.

     Der Baum, er ahndet seine Blätter,

10
Die ihn durchschatten in dem May’n,

Und liest die Schrift, die ihm den Retter
Verkündet, in der Sterne Reih’n.

     Des Eises Fessel löst die Erde,
Die Thräne die zurückgedrängt,

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_087.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)