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Verschiedene: Wünschelruthe


Dir schmeichlend singt es der Betrübte,
Doch zittert’s, wofür er es singt.
Wie der Zweig, wenn Natur es geboten,

10
Giebt Düfte, und Früchte dem Baum,

So blitzt durch ihr Aug’, ihre Wangen,
Das Herz meiner Braut Chaidee.

     Doch der blühendste Garten wird öde,
Wenn Liebchen die Lauben verläßt.

15
Bringt mir Schierling, mein Mädchen ist untreu,

Dies Kraut duftet süßer als Rosen.
Das Gift, das dem Kelche entflossen,
Verbittert die Schale so tief,
Doch für deine Untreu genossen,

20
Wird es süß meinem Herzen nur seyn.

Zu grausam! Es sehn meine Lieder:
Entbinde mein Herz von der Qual,
Und giebt meiner Brust dich nichts wieder,
So schließe das Grab mir nur auf.

25
     Wie der Held, der zum Kampfe sich nahet,

Im voraus des Eroberns gewiß,
So hast du mir mit deinen Augen
Das Herz wie mit Lanzen durchbohrt.
O sage mir, muß ich denn sterben

30
Vom Schmerz, den ein Lächeln schon heilt?

Lohnt mich, die du einst mir gebotest,
Die Hoffnung, für all meine Qual?
Es trauert die Laube voll Rosen,
Chaidee, treulos, doch geliebt,

35
Und Flora will hier nicht mehr kosen,

Denn um dich ist sie mit mir betrübt.

Dr. E. I. L. Iken.




Märchen vom Ritter und vom Vogel.




(Fortsetzung).

Es war der May schöner wie jemals, und mit herrlichen Klängen rief er aus seiner blauen reichen Brust, jedes junge Herz zu kühnen Thaten. Die feindlichen Schaaren standen mit wildem Muth einander gegenüber. Sonntag Morgens mahlte die Sonne mit blutigen Strahlen einen grünen Anger - als die Herolde über ihn wegflogen, mit flimmernden Bannern und zum Streit riefen. Viel Helden ritten gegen einander und viel Blut floß, daß das Feld bald noch röther aussah, als die helle Sonne. Der König stritt selbst tapfer und drang immer tiefer in die Wellen des feindlichen Heeres, denn er erstrebte den jungen Günther seinen Feind zu tödten. Es fiehlen aber, wie tausend Flammen, tausend Schwerdtstreiche über ihn her; da riefen die Völker - helfe[WS 1] den König wer helfen kann! da rannte Franz herbei mit seinen Knechten - wie ein junger Löwe in Kampf, die goldne Mähne schüttelt - so flogen seine Locken um die breiten Schultern; wie ein Sturm in finstrer Nacht, brach er ein in des Feindes Schaar, und ruhte nicht eher vom Morden, bis er den König befreit hatte. Dem jungen Günther führte er einen so mächtigen Streich, gegen die Halsberge, daß er tod ins grüne Gras sank; sein Roß stürzte über ihm zusammen. Nun war der Sieg errungen und der König war herzlich froh in seinem Sinn; sein Stammland hatte er wieder, und zog am Abend in die alte Burg ein, wo er und seine Väter zum erstenmahl das schöne Tageslicht geschaut hatten. Franz wollte gleich von dannen, mit den Seinen, um Fredegunden zu suchen durch alle Welt - aber der König bat ihn zu weilen bis zum andren Tage, wo noch ein schön Turnier gehalten werden sollte. Der Ritter ließ sich das gefallen, denn er hoffte, viel schöne Thaten zum Dienste der Einzigen zu thun, deren Blicke wie helle Sterne in seiner Brust ruhten. Des andern Tages war Franz schon mit manchem braven Manne zusammen gerannt und hatte jedesmal ritterlichen Sieg davon getragen; die Leute sahen dabei immer nach seinem Schilde, denn die weiße Silberfeder ward jedesmel blutroth, so oft er zusammenrannte. Nur hier an kannten ihn Wenige, die Uebrigen wußten nicht wer der tapfre Mann sei, vor dem Alle weichen mußten; denn Franz hatte einen andren Harnisch und Banner genommen und sich unkenntlich gemacht - damit keiner von seinen Thaten viel reden möge, sondern nur sein stilles Herz sich freue, der Unbekannten gedient zu haben. Selbst der König kannte Franzen nicht - und glaubte er sei auf andre Ritterfahrt weggezogen. Da der König nun in diesem Wahn war, so that etwas woran Franz seinen falschen Sinn erkannte.

(Die Fortsetzung folgt).


In die Ferne.






     Verborgen, liebt die Treue sich, zu wehen,
     Im Arm des Schweigens weg die Liebe träumen,
     Und aus des Traumes selig freien Räumen
     Kehrt sie erstarkt zurück ins enge Leben.

5
     Du klagst daß sie kein Zeichen dir gegeben,

     Du weinest daß nach tödtlich langem Säumen
     Die Liebe wohl entflohen mit den Träumen
     Die - Niemand sagt es dir wohin - entschweben
Nein! klage nicht! schon wacht sie auf vom Schlummer,

10
Schon öfnet sie die langgeschloßnen Lider

Sieh ihr den Gruß im feuchten Auge glühen;

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: helft. Siehe Druckfehler S. 136
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_111.jpg&oldid=- (Version vom 30.7.2017)