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Noch ist unter den römischen Zauberwerken des Virgil zu erwähnen „der Mund der Wahrheit“; welche Dichtung mir zuerst bekannt ist aus Ernst und Schimpf (Bl. 35 Frankf. 1563 Fol.), wo gleich der Anfang das nähere berichtet. „Virgilius hatt ein Bild zu Rom gemacht in einem Steyn, da bewert man die, die Eyde schwuren. Da must einer dem Bild die Hand in das Maul legen. Wann einer Unrecht geschworen hatte, so biß ihm das Angesicht die Hand ab; hatte er recht geschworen, so geschahe ihm nichts. Also wurden viel überwunden, daß sie meineydig waren.“ Der Fortgang dieser Erzählung stimmt nachher überein mit Straparola Notte 4 Fov. 2 und Celio Malespini Nov. 98.

Tharsander (Schauplatz vieler unger. Meynungen 2, 308 und 2, 554) ist über Virgil weniger reich, als man erwarten sollte. Nur eine noch nicht erwähnte Sage müssen wir hier mittheilen: „die Neapolitaner glauben, der Berg Pausilippus sei durch Zauberbeschwörungen des Virgilii durchbrochen worden, obgleich viele Scribenten bezeugen, daß lange vor Virgilii Zeiten ein Weg dadurch gegangen.“ Diese Sage hat einer der besten Vorgänger Shakspeare’s, Christoph Marlow, in seinem in vieler Hinsicht trefflichen Trauerspiel Faust angebracht (Old Play. London 1816. Vol. 1, 42). Es wird die Lustreise des Faust erzählt:

     Wir sahn des weisen Maro goldnes Grab,
Den Weg, den er in Einer Nacht gehauen,
Lang eine Meile, queer durch einen Felsen[1].

Allein nicht bloß in Italien hat unser Virgil seine Kräfte geübt, er ist sogar höchst wunderbarer Weise bis nach Bretagne zu König Artus gekommen, und hat dort ein schelmisches Kunststück zurecht gemacht, welches sehr absticht gegen seine ernsten und nützlichen Arbeiten zu Rom und Neapel. Schon dies muß Verdacht erregen gegen das Alter dieser Sage, und gegen eine Begründung derselben im Volk. Dazu kömmt, daß in den englischen Chroniken des Hall, Holinshed und Galfredus Monumetensis in der Begleitung des Artus Virgil nie vorkömmt. Es wird daher wohl hier eine Verwechselung zwischen Merlin und Virgil von einem eben nicht besorgten Romantiker vorgenommen sein[2]). Es ist hier die Ehbrecher-Brück bei Hans Sachs gemeint, welche Erfindung wohl aus einem französischen Fabliau irgendwie nach Deutschland gekommen ist. Die Erzählung des Hans Sachs (vom Jahr 1530, Kempten. Ausg. 1, 347) ist übrigens durchaus vortrefflich.

     Vor Jahren ein mächtig König saß,
Derselb Artus genennet was,
Im Reich Britannia genannt,
Das man auch nennet Engelland.

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Einsmals Artus betrübet ward

Von Herzen gar unmuthig hart,
Daß ihn niemand getrösten kunnt,
Wie hoch man sich des unterstund.
Nun war am Hof Virgilius,

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Der Kunst ein Nicromanticus,

Der fragt den König was ihm wär,
Ob ihm vielleicht möcht helfen er;
Der König sprach: Dein schwarze Kunst
Ist mir hülflos, und gar umsunst.

Artus entdeckt darauf seine Besorgniß um die Treue seiner Frau. Virgil erbaut darauf über die Themse eine prächtige Brücke.

Von lauter gehaunen Werkstucken;
Das Pflaster dieser Bruck allein
War von polirtem Marbelstein,
Und war nur dreier Spannen breit.

Mitten darauf steht ein Thurm; darin hängt Virgil ein Glöcklein auf, und als Artus mit der Königin und allem Hofstaat auf der Brücke ist, läßt Virgil das Glöcklein klingen, da stürzen alle in den Fluß rechts und links von der Brücke hinab; nur wer in Gedanken und That treu wäre, hätte ohne Schaden über die Brücke reiten können. Als Artus sich in so großer Gesellschaft sah, erhielt er seine Heiterkeit wieder.

Paracelsus, der auch selbst für einen Zauberer gehalten wurde (s. Görres t. Volksb. 221) urtheilt von dieser Geschichte (2, 569 Ausg. Straßburg 1603): „Und ist solches kein Fabelgedicht, sondern ein wahrhaftig Chronikgeschicht. – Denn, kann der sichtbare Mensch einen andern mir dem Getön eines Worts rufen, und ihn damit bezwingen, und ist doch nur ein Wort, so kann dieß noch viel daß der unsichtbare Mensch, der kann beide sampt, den sichtbaren und unsichtbaren nicht allein mit einem Wort, sondern mit dem Gedanken eines Worts bezwingen.“

Noch einige Mal erwähnt Paracelsus den Virgil, u. a. 2, 307 (in der Abhandlung de Imaginibus): „Also secht an Virgil, den Philosophen, wie groß wunderlich Ding hat er durch Bilder ausgericht. Aber seine Kunst ist mehr Nigromatia, dann natürliche Magica gewesen. Denn Virgil und seine Nachfolger haben durch große gewaltige Conjurationen


  1. There saw we learned Maro’s golden tomb,
    The way he cut an English mile in length
    Thorough a rock of stone in one night’s space.
  2. So macht in der alt-deutschen Uebersetzung der Gesta Romanorum Cap.120 der Uebersetzer den Virgil zum Urheber der drei Wunder-Kleinode (s. Görres teutsche Volksbücher 79), welches ein willkürlicher Zusatz ist, wovon sich in der latein. Urschrift nichts findet.
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_146.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)