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Tempel, wo im Hintergrunde sehr mittelmäßige Architektur mit Goldgrund abwechselt. Viel bedeutender ist ein großes Gemälde, im Eigenthum der Liebfrauenkirche, aber ebenfalls im Saale des Museums aufgestellt. Es ist auf Goldgrund. Maria in reichem dunkelgrünen Gewande sitzt, das Kind auf dem Schooße haltend, auf einem goldnen Throne neben der heiligen Elisabeth, die, in braunem Kleide und rothem Mantel, mit der Linken in einem Buche blättert, mit der Rechten dem Kinde einen Apfel reicht. Vor ihnen knieet ein Donatar von viel kleineren Dimensionen. Hinter dem Throne steht auf jeder Seite ein heiliger Bischof im vollem Ornate; der jüngere, hinter der Elisabeth, läßt einem vor ihm knieenden lahmen Bettler, der wieder viel kleiner ist, aus der Hand Geld zufallen. Der Ausdruck ist durchaus allgemein, wie es der Gegenstand fordert, und doch höchst sprechend; Maria hat ein rundes, vollblühendes Gesicht, sanftlächelnd und doch voll schönen Ernstes; würdig und groß sind die Züge der Elisabeth, wie der Bischöfe, von denen der ältere gen Himmel blickt, der jüngere die großen Augen mit rührender Erhabenheit gegen den Beschauer richtet. Die Formen sind nicht schön, wie man besonders an dem nackten Kinde sieht; aber doch ist das Streben deutlich, der Natur nachzubilden; und man sieht daß hierin aus Unvermögen, nicht aus angeeigneter Manier gefehlt ist. Die Umrisse sind bestimmt, aber nicht hart; das Colorit dunkel, aber in den Schatten rein und durchaus nicht nachgeschwärzt; es hat die eigene Glut wie z. B. auf dem jüngsten Gericht in Köln, mit dem das Bild übrigens keine Aehnlichkeit hat.

(Die Fortsetzung künftig).




Das Jägerhaus.




(Fortsetzung).

Man hatte während dieser Unterhandlung zwei müßige unbeschäftigte Tage. Antonie schlug eine Neckarfahrt vor und die Männer gaben ihr Beifall, da in der That eine Parthie längs diesem Fluß ins Gebirge zurück, eine sehr genußreiche Abwechslung bietet. Mehrere Fremde schlossen sich an; das Wetter war über Erwartung schön und eine heitre italische Luft umfing die stolze romantische Landschaft und schien aus dem freundlichen Neckar zurück. Man verließ die Hochstraße bald und suchte auf dem rechten Stromufer die weichern elastischen Wiesengründe; man paarte sich ganz nach Neigung und Wahl und ließ der Freude vollen Zügel, und als der Morgen höher herauskam, nahm man im Schatten eines Erlenbusches dicht unter Steinach eine Ruhestelle.

„Liegen wir doch hier wie ächte Wegelagerer, im Bereich der gewaltigen Burg auf einen tüchtigen Fechterstreich lauernd!“ hub Holm mit schallender Stimme an: „Oder“ fiel Edmund sanfter ein „wie ein Zug fahrender Pilgerleute, einem stralenden Gnadenbild folgend, und - ohne Unterschied des Rangs und Geschlechts - uns hier zu weiterer Wanderung stärkend!“ - „Nur mit dem Unterschiede“ sezte ein Dritter hinzu: „daß wir das Heiligenbild nicht lange suchen dürfen, da es in Fräulein Antoniens Gestalt sich schon recht tröstend vergegenwärtigte!“ - Antonie verbeugte sich demüthig stolz und all’ ihre eigenthümliche Herrlichkeit, die Edmund früher wenig bemerkt, trat ihm auf einmal zauberisch entgegen, ja er gestand sich unverhohlen, daß es außer seiner Braut doch noch viel weibliche Schönheiten gebe, ja daß Antoniens seltner Reiz gleich hoher Huldigung würdig sey. Er suchte sich diese Idee zwar auszureden, ward jedoch nach und nach immer befangener und ließ sein Auge sinniger als eh auf all den üppigen Formen ruhn, die seine Phantasie immer heißer entzündeten. Wie zwei thauende Sterne sah’n ihre großen schön geschnittenen Augen aus dem Gewölk dunkler Brauen vor, glitten zur Erde wenn er auf sie traf doch huben sich wieder stillvertrauend höher, wenn er befriedigt von ihnen ließ und auf dem herrlichen Ganzen weilte. - Man hatte schon zu lange geruht, und zog nun vollends das Thal hinauf, bis dahin wo es am lieblichsten prangt und das Schloß des freundlichen Hirschhorn aus grünen Waldungen niederleuchtet. Auf einem der einladendsten Punkte der Höhe ward die Mittagstafel gedeckt, und der Blick auf die zurückgelegte Gegend, Musik und Tafelfreuden wirkten mächtig zu einem Frohsinn der an Leichtsinn grenzte, und dem Moment zu viel Vorrechte lieh.

Es hatte sich gefügt daß Edmund Antoniens Nachbar wurde, und wie auf Reisen überhaupt die Vertraulichkeit wächst, so kam’s auch hier, daß Edmund dem Fräulein immer näher rückte und ihr - so verrätherisch verbirgt sich die Liebe! - indem er ihr sein Gefühl für Marien schilderte, die Neigung zu ihr unwillkürlich verrieth.

So schwand der Nachmittag, ja beinah der Abend; denn erst als die Sonne zur Rüste ging ward der bevorstehenden Heimfahrt gedacht, wozu man zwey räumliche Neckarkähne dingte, und so einem neuen Genuß entgegen ging, der Alle mit gleichem Verlangen erfüllte. Man kam ans Gestad, die Nachen wurden flott, die Gesellschaft stieg ein, und ohne einigen Gebrauch der Ruder, glitten die Kähne durch die laue Fluth, wechselten die Umgebungen magischer beleuchtet, wuchs die allgemeine Sorglosigkeit. Es war als entbände die tiefre Dämmerung jede letzte hemmende Fessel. Edmund und Holm vor Allen wurden laut, scherzten und jubelten ächt akademisch

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_158.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)