Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 191.jpg

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Verschiedene: Wünschelruthe


De mester antwerde deme kinde vnde seede aldus tho em. Segge my wat bist du. Bist du de duuel, odder bist du got, der twyer een must du weesen, dat segge ick sunder spot. wente du bist wyser wen ick als my dunket na dynen worden. Jhesus antwerde vnde sede to em. Jck bin neen duuel, ok mach de duuel ouer my neene macht hebben. sunder ik hebbe dy de warheit gesecht, is dat du id löuen wult. De mester heet en vth der schole gaen, de kunde syner nicht leren. ok so wolde he mit em nicht to don de hebben. men he wolde syner quyd wesen. Do nu Jhesus to hus quam in syner moder woninge, do seede he tho syner moder Marien, dat em syn mester hadde erlöff gegeuen vnde wolde en nicht leren. Dar antwerde em Maria nicht to. wente se dochte in eereme herten. unde uuste wol dat he sere gehatet scholde werden omme syner wysheyt willen van den yöden. Unde dachte an dat wort Simeonis, dat he to er seede indeme tempele, wo em noch scholde sere vnde vele entgegen secht werden van den yöden. als id noch hirnamals quam, do he XXX. yar olt wart, do he predikede deme volcke vnde den yöden.


duuel Teufel. – der twyer dieser beiden. – löuen glauben. – syner nicht leren ihn nichts lehren. – nicht to don de hebben nichts zu thun haben. – quyd wesen quitt, los seyn. – erlöff gegeben Urlaub gegeben. – eereme herten ihrem Herzen. – gehetet gehaßt. – vele entgegen secht viel widersprochen. – hirnamals bernachmals.

Das Buch woraus dieses Kapitel genommen, besitzet der Hr. Kanonikus de la Tour in seiner Sammlung Incunabeln. Ich habe es zur Kenntniß damaliger Zeit und ihrer Denkart wichtig gefunden, dieses wenige bekannt zu machen, sollte man es der Mühe werth achten, so werde ich das ganze Buch abdrucken lassen. S. A.


Der Vertraute.
(Schluß).

Am folgenden Tage ließ Meister Raimond ein prächtiges Gastmahl anrichten, bat einen Freund ihm sein Haus zur Aufnahme seiner Gäste zu gestatten, und lud alle seine Verwandten, so wie die seiner Frau ein. Auch Genobbia mußte mit hingehn, doch sollte sie nicht mit am Tisch sitzen sondern sich in einem andern Zimmer aufhalten, und für alles sorgen was zu der Mahlzeit gehörte. Die Gäste versammelten sich, man setzte sich zu Tisch, und nun that Meister Raimond sein Möglichstes den jungen Spanier berauscht zu machen, um ihn dann leichter in die Schlinge zu locken, die er ihm zu legen gedachte. Er trank ihm wacker zu, füllte ihm ohne Aufhören das Glas mit einem gefährlichen Wein, den er in dieser Absicht mitgebracht hatte, und als jener es ihm oft genug geleert zu haben schien sagte er zu ihm: „Ich bitte euch, Don Nerino, gebt doch der Gesellschaft irgend ein drolliges Histörchen zum besten.“ – Der arme Nerino, der nicht die leiseste Ahnung davon hatte, daß Genobbia Meister Raimonds Frau sey, fing an seine Begebenheit auf das umständlichste zu erzählen. Zufällig hörte es ein Diener mit an, er fand die Geschichte gar sehr hübsch, lief schnell in das Zimmer wo Genobbia sich befand und sagte: „Ach Madame“ da drinne erzählen sie die lustigste Geschichte, die ich in meinem Leben gehört habe. Stellt euch doch hinter die Thür und hört sie auch mit an, ich bitte euch.“ – Gennobbia ließ sich zureden, sie stellte sich an die Thür, horchte, und erkannte, daß die Stimme Nerino’s und die Geschichte ihre eigne sey. Ohne sich zu besinnen nahm das kluge Weib einen Demant-Ring den ihr Nerino geschenkt hatte, warf ihn in einen silbernen Becher, den sie mit vorzüglichem Wein füllte, und sagte zu dem Diener: „Bringe diesen Becher dem jungen Mann, der die Geschichte erzählt, und sage ihm leise, er möchte ihn austrinken, das Sprechen würde ihm dann leichter werden.“ – Der Diener nahm den Becher, trat hinter Nerinos Stuhl und sagte ihm wie seine Frau ihm geheißen: „Nehmt diesen Becher Herr, und trinkt ihn aus, damit euch das Sprechen leichter werde.“ – Nerino ließ sich dies nicht zweimal sagen, er leerte den Becher auf einen Zug, und als er auf den Grund kam wurde er den Ring gewahr, und erkannte ihn als den seinigen. Damit niemand etwas davon merken sollte, sog er ihn mit dem Getränk in den Mund, that dann als ob er sich die Zähne reinige, nahm ihn verstohlen heraus und steckte ihn an den Finger. Da er nun aus diesem Zeichen erkannt, daß die schöne Dame, von welcher er so eben sprach, Meister Raimonds Frau sei, hielt er inne mit seiner Erzählung. Und als Meister Raimond und alle Uebrigen in ihn drangen, er solle doch die angenehme Geschichte zu Ende bringen, sagte er: „Und damit, und damit krähte der Hahn, und es ward mit einem mal Tag, da wachte ich auf und der Traum war aus“. – Meister Raimond war wie aus den Wolken gefallen als er seinen schön angelegten Plan auf so unvermuthete Weise vereitelt sah, die andern Gäste aber, welche im Anfang geglaubt hatten Nerino erzähle eine wahre Geschichte, hielten nun dafür, der Wein sei ihm zu Kopf gestiegen, und er habe alles nur in der Trunkenheit gesprochen.

Einige Tage nach diesem Vorfall traf Nerino auf Raimond, er that, als wisse er noch immer nicht, daß er Genobbias

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_191.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)