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Verschiedene: Wünschelruthe

Walzer. Töne, die mit Silberschwingen,
     Lispelnd, säuselnd, rauschend weben,
     Woll’n dem Herzen Kunde bringen
     Nur im Lieben sei das Leben.
Student. O sehn Sie auf die Karte doch,
     Sie werden mich verbinden,
     Wenn irgend einen Tanz Sie noch
     Auf heute für mich finden.
Dame. Ach! leider sind die Tänze all’
     Für lange schon vergeben,
     Doch Ihnen will zum fünften Ball
     Ich einen Tanz aufheben.
Er wird grob. Die Güte rühret mich fürwahr,
     Ich werde daran denken,
     Und könnten Sie für nächstes Jahr
     Mir keinen Walzer schenken?
Junger Philosoph. Möcht’ ich auch die Gelehrsamkeit
     Gern gänzlich gleich abstreifen,
     Es schickt sich nicht, es thut mir leid,
     Im Tanz hier auszuschweifen.
Dame. So herrlich hatt’ ich’s kaum gedacht,
     Ach! wär der Graf nicht flüchtig!
     Wie hat er nicht nach mir gejagt,
     Heut ist es mit ihm richtig.
Student. Ich hab dem Kind die Hand gedrückt,
     Wie gern ließ sie’s geschehen
     Und wie verliebt, beglückt, entzückt
     Hat sie mich angesehen!
Anderer. Es würde wohl den alten Herrn
     Tanz und der Wein nicht reizen,
     Wollt er nicht mit dem Orden gern
     Sich selbstgefällig spreizen.
Aeltlicher. Es prickt und zwickt und treibt mich an
     Ein Tänzchen mitzumachen;
     Es sei darum und mögen dann
     Auch die Collegen lachen.
Dame. Folg ich diesem, folg ich dem?
     Sie sind wohl beide Freier.
     Dieser ist mir angenehm,
     Doch jener scheint mir treuer.
Die Damen. Etwas satyrisch schmeckt der Punsch,
     Den sie uns hier kredenzen,
     Sie nähmen, ging es uns nach Wunsch,
     Ganz andre Ingredienzen.
Fandango. Wenn es klinget, flötet, rauscht,
     Muß der Mund auch schweigen,
     Blick um süßen Blick getauscht
     Darf das Herz doch zeigen.
Jude. Wie freut mich’s daß ich Sie hier seh
     So wohlgemuth beisammen –
     Spielt nicht die Geige cis statt c
     So soll mich Gott verdammen!
Dame. Mit angenehmer Leichtigkeit
     Weiß er sich zu betragen.
     Gern hör ich ihn mit Dreistigkeit
     Geniale Sagen sagen.
Gönner. Ein hoffnungsvoller junger Herr,
     Sein Witz hat was Brillantes,
     Von klassischem Geschmack ist er
     Und schrieb schon viel Bekanntes.
Jude. Ja, seh ich um die Dame dort
     Die jungen Leute stehen,
     Gern sagt ich ihr ein beißend Wort,
     Könnt’s anonym geschehen.
Romantiker. Packt sich der Jude nicht bald fort,
     Beim Zeus, er soll’s bereuen;
     Mit ihm setz’ ich mich in Rapport,
     Romantisch ihn zu bläuen.
Dame. Der junge Mensch in blauem Frack,
     Siehst Du ihn dort wohl schweben?
     Tanzt er nicht ganz in dem Geschmack
     Wie ’n Schreibtisch beim Erdbeben?
Blöder. Ach könnt ich nur die Dreistigkeit
     Erfragen und erjagen,
     Der schönen Frau zur rechten Zeit
     Ein Kompliment zu sagen.
Quadrille. Was sich einmal hat gefunden,
     Was sich liebte, was sich kennt,
     Immer bleibt es nun verbunden,
     Sei’s vereinigt, sei’s getrennt.
Gebildete. Ist nicht Musik der schöne Grund
     Drauf sich der Tanz gestaltet
     Und diese Bilder zart und bunt
     Und zauberisch entfaltet?
Natürliche. Was frommt’s, daß man bescheiden thut,
     Weshalb müßt ich mich zieren,
     Es wallt und kocht das junge Blut,
     Warum sollt’ ich da frieren?
Student. Nicht verfehl’ ich diesen Frau’n
     Fleißig aufzuwarten,
     Läßt sich doch Solides traun
     Von ihrer Gunst erwarten.
Alte Dame. Ganz müde liefen sich die Herrn
     Um meine Tochter schon,
     Doch, leid ich es auch noch so gern,
     Niemand macht Ernst zum Schwiegersohn.
Ecossaise. Jetzt die Höflichkeit sich zeigt,
     Ruft zu den Ehrentänzen,
     Die Augen zu, die Hand gereicht
     Und macht euch Reverenzen.
Dame. Das Männchen zieht die Stirne kraus
     Und läßt kein Wörtchen hören,
     Es sähe gern bedeutend aus,
     Dumm ist’s, das will ich schwören.
Unschuldiger. Hier hält beim Tanz das Tanzen nicht,
     Auch Lieben nicht und Lachen nicht,
     Ich weiß es noch im Ganzen nicht,
     Versteh’ vielleicht die Sachen nicht.
Student. Wie mausig macht sich nicht der Fuchs?
     Kaum aus dem Ei gekrochen,
     Hat bei der flottsten Dam’ er flugs
     Die Alten ausgestochen.
Alte Dame. Vielleicht verhehlt’ ich’s selber mir,
     Daß ich mich ennüyirte,
     Wenn man nicht kläglich kärglich hier
     Von allem präsentirte.
Kehraus. Und als der Großvater die Großmutter nahm
     Da war der Großvater ein Bräutigam
     Und die Größmutter war eine Braut,
     Da wurden sie beide zusammengetraut.

Die Gesellschaft verliert sich nach und nach.
Bürger. Stolz geht er fort, der deutsche Mann
     Mit Gürtel, Kragen, Degen,
     Blind kam er überall heut an
     Und ward doch nicht verlegen.
Ein Buchhändler. Verlegen! schweigen wir davon,
     Ich bitte, meinetwegen,
     Verlegenheit und Spott und Hohn,
     Das hat man vom Verlegen.
Anderer. Das heißt schlampampt, das heißt geschleckt,
     Verdammt zu tausend Malen!
     Dem hat’s behagt, dem hat’s geschmeckt,
     An uns ist das Bezahlen.

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_226.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)