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Ablaß, und zwar auf mancherlei Weise: für alle an der Pest reuig Sterbenden, für die Wallfahrer, für die beim Konzil Ausharrenden usw.

Wir finden noch andere Zeugnisse dieser Erschütterung der Gemüter. Die Pilgerfahrt des Hans Rot nach Jerusalem im Frühjahr 1440, die große Stiftung des Konrad zum Haupt für die Kranken im Spital, September 1439, gehören jedenfalls hieher. Ebenso, daß am 22. Juni 1439 die Safranzunft in ihrer Andreaskapelle ein Salve Regina stiftete; ein Zusammenhang dieser Fundation mit dem, was damals am Konzil zur Verherrlichung U. L. F. geredet und im Beschluß über ihre unbefleckte Empfängnis verkündet wurde, wird kaum zu leugnen sein.

Ganz unmittelbar aber lebt der Geist dieses vom Tod und seinen Schrecken beherrschten Jahres weiter in den weltberühmten Bilderreihen des Totentanzes, die damals an den Wänden der Kirchhöfe zu Predigern und im Klingental gemalt wurden. Durch die Ueberlebenden einer furchtbaren Zeit als deren Denkmal und zugleich als Memento hingestellt, wirken diese Szenen des „Todes von Basel“ noch heute mit Gewalt.


Im November endlich ging die Prüfung ihrem Ende zu. Die Seuche erlosch. Man atmete wieder auf. Und sofort schritt das Konzil zur Wahl des neuen Papstes.

Die erste Vorbereitung war die Bezeichnung der Papstwähler; sie wurde einem Dreierausschuß übertragen. Sodann, während diese Triumvirn an der Liste arbeiteten, rüstete man dem Konklave den Ort, in dem Gesellschaftshaus zur Mücke, das durch die Sitzungen einer Deputation den Konzilsvätern wohl bekannt war. Früher hatte es zu Tänzen, Banketten, Festen aller Art gedient, aber diese weltliche Verwendung konnte nun gesühnt werden; „wo die Laster triumphiert hatten, sollte jetzt Sitte herrschen, der Ort der Ausgelassenheit zu einer Stätte des Gebets werden.“

Deutlich empfinden wir das merkwürdig frisch belebte, gesteigerte Wesen dieser Tage. Auf die Kunde, daß in Basel die Pest erloschen, die Wahl eines neuen Papstes im Tun sei, strömte es von allen Seiten. Das Konzil ward voller als je. In der Versammlung selbst und durch die Stadt waltete das frohe Gefühl der Erlösung aus langer Pein, das Bewußtsein zugleich, daß nun auch in kirchlichen Dingen ein völlig Neues beginne, Ordnung und Friede wiederkehren werden. Wie sehr diese Empfindung auch schlichte Menschen aufrüttelte, zeigt das Beispiel des Kaplans Appenwiler, der darüber zum Chronisten wurde. Jeder war sich bewußt, wie Großes bei der Papstwahl auf dem Spiele stand. Zu den ungewöhnlichen

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 525. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/544&oldid=- (Version vom 1.8.2018)