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der Ausbruch lange genährten Mißtrauens, die Rache eines leicht begreiflichen Neides. Unter den Stubenherren, die der gemeine Mann nicht mehr im Rate dulden mochte, war Offenburg der gehaßteste, sein ganzes Wesen das der Mißdeutung fähigste. Er hatte in der Tat mehreren Herren gedient; aber die Beschuldigung des Verrates, die jetzt in roher Weise laut wurde, war unbegründet. Er empfand sie aufs bitterste; daß er sich diese Bitterkeit von der Seele zu schreiben suchte, hat uns ein Buch eingebracht, das zu den wichtigsten Zeugnissen der Basler Geschichte gehört.

Dieses Buch des Henman Offenburg ist keine Chronik, sondern eine Rechtfertigung, eine Selbstapologie; hieraus ergiebt sich die völlig persönliche Art und Haltung. Sein unvergleichlicher Wert ist damit begründet, aber auch seine Schwäche. Offenburg wird nicht müde, zu betonen, daß er dies und jenes für die Stadt erlangt habe ohne ihre Aufwendung, ganz auf seine eigenen Kosten. Es liegt hierin etwas Rechthaberisches und Kleinliches. Aber auch das wehe Gefühl, am Ende eines langen arbeitsvollen Lebens im öffentlichen Dienste nur den Lohn erhalten zu haben, den die Welt gibt. Indem freilich Offenburg gerade an dieser Erfahrung sich nicht hinaufheben konnte zu einem freiern, die Anerkennung des Tages und die gewöhnliche Honorierung verachtenden Gefühl, zeigte er aufs neue, daß er, wenn auch ein fähiger und geschickter Mann, doch durchaus nicht eine große Natur war. Zu beachten ist auch, wie es niemals die Gewalt der Ereignisse, die bedeutende Wirkung einer Persönlichkeit ist, die ihn zum Schreiben zwingt, sondern das Bedürfnis, von Verdienst und Umständen seiner eigenen Leistungen zu reden. Was hat er nicht Alles erlebt, zum Teil in der vordersten Reihe stehend! und dennoch machte ihn diese gewaltige Zeit nicht zum Geschichtschreiber, nur zum Anwalt seiner selbst. Wie er auch nie Staatsmann großer Art war, sondern, auch im Ritterkleide noch, Geschäftsmann. Aber er ist diejenige Gestalt, die aus der reichen Welt dieser Jahrzehnte uns erkennbarer entgegentritt als jede andere, die überhaupt als die entwickeltste, persönlichste Figur der ganzen frühern Basler Geschichte zu gelten hat. Das ist zum guten Teil die Wirkung seines Buches. Aber auch alle andern Schriften sind voll von seinem Namen. Keiner gibt Rechenschaft von sich selbst wie er, aber auch Keiner ist tatsächlich so wie er im Verkehr mit aller Welt durchgerüttelt und erzogen worden. Die Zeit der großen Kultur Basels stand schon vor der Tür; Offenburg schließt die frühere Periode. Vom Glänzendsten, das kommen sollte, ist an ihm kein Hauch zu finden; aber in staatlichen Dingen blieb sein Geist auch später herrschend.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 604. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/623&oldid=- (Version vom 1.8.2018)