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Aber andrerseits sind auch nicht alle Kleriker bepfründet. Die Zeugenreihen der Offizialatsurkunden z. B. oder die langen Listen der Bewerber um ein vom Rate zu vergebendes Benefiz zeigen uns stellenlose Kleriker in Menge. Wie zahlreich jederzeit die Bedürftigen und Darbenden in diesem Kreise waren, verraten auch gelegentliche Erwähnungen: die armen Priester, die bei der reichen und gutherzigen Adelheid Bidermann an die Kost gehen dürfen; oder diejenigen, unter welche die vom Klingentaler Kaplan Schlatter hinterlassenen Kleider verteilt werden u. dgl. m. „Kein ärmer Vieh auf Erden ist, als Priesterschaft, der Nahrung gbrist“, sagt Sebastian Brant. Allezeit gibt es Kleriker, die von der Schule weg nicht sofort zu einem Benefiz gelangen, sondern in einem unsteten ambulanten Leben zu clerici vagabundi, zu fahrenden Scholaren werden. Viele gehen dabei unter, bringen dem Stand keine Ehre. Einzelne aber finden den Weg zum großen kirchlichen Glücksmarkt in Rom und erlangen dort einen Posten bei einem Prälaten oder die Provision auf eine Pfründe.

Der Kleriker ist nirgends ein Fremdling, er kann überall zu Hause sein. So kommt es, daß neben den Eingeborenen sich unaufhörlich auch Solche herandrängen, die von draußen gekommen sind. Eine buntgemengte Masse von Pfaffheit offenbart damit die Weite und die Einheit der kirchlichen Welt. Nicht an die guten Oberrheiner denken wir hiebei; sie fühlen sich in Basel ohne weiteres daheim, wie z. B. jener Lautenbacher Chorherr Paulus, der hier 1399 in seiner Köchin Haus stirbt. Anderes ist bezeichnender. Die Bischöfe Heinrich von Trient, Nicolaus von Butrinto und Johann von Valanea mieten 1313 den Krautgarten der Prediger an der Lottergasse, um da zu wohnen; Heinrich von Nördlingen kommt nach Basel, hat sofort eine Kirche voll Zuhörer und wird Kaplan bei St. Peter; neben Surgant amten als Helfer zu St. Theodor ein Sanct Galler und ein Würzburger; der Augsburgische Priester Emser führt sich in Basel auf, als wenn er hier daheim wäre; wie Bischof Johann von Venningen in seinem Testamente die Kirche Speyer bedenkt, so erinnert sich Pfarrer Meyer zu St. Alban auf dem Todbette seines Geburtsdorfes in Franken und spendet dorthin einen silbernen Kelch; da die Basler auf ihrem Heerzuge im Mai 1512 durch das Dörflein Nefis oberhalb Trient ziehen, finden sie da als Leutpriester ihren Landsmann Herman Roiching.

Nur fehlt es bei dieser Universalität und Freizügigkeit in auffallendem Maß an Kontrolle. Kein Ausweisverfahren scheint zu bestehen und keine Gewohnheit der Erkundigung. Der Rudolf Ment, der als Dekan in Aarau mit gefälschten Ablaßbriefen Geld erschwindelt hat, verliert dadurch „sein

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 623. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/102&oldid=- (Version vom 4.8.2020)