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Denn wir sehen mit Verwunderung, wie schon jetzt im Herbst 1482 vom Konzil selbst kaum mehr die Rede und die Hauptgefahr für Rom vorüber war.

Wenn der so feierlich geschehenen Ankündigung auch eine tatsächliche Ausführung folgen sollte, so mußten noch andere Stimmen laut werden, als die des Zamometiç, und ganz anders geartete Mächte und Kräfte sich zur Sache bekennen. Aber Solches geschah nicht. Konzilslust mochte allenthalben zur Genüge vorhanden sein; aber Derjenige, der jetzt sich des Unternehmens angenommen, war seiner in keiner Weise gewachsen noch würdig. Gleich den Bernern, die sich schon beizeiten von Andreas zurückgezogen, handelten Andre, auch Solche, die ihm etwa einmal mehr oder minder behutsam zugestimmt oder sein Projekt als ihnen förderlich begrüßt hatten. Frankreich blieb ganz untätig, desgleichen Neapel; Lorenzo Medici und der Mailänder Herzog begnügten sich damit, in den Personen des Baccio Ugolini und des Gian Pietro Pietrasanta Agenten und Beobachter in Basel zu unterhalten. Die allerbitterste und verhängnisvollste Enttäuschung aber erlebte Andreas an Kaiser Friedrich, der freilich schon zu Beginn der Sache sich möglichst reserviert und unbestimmt geäußert hatte, jetzt aber im Oktober den inzwischen unrettbar kompromittierten Andreas völlig hinwegstieß, ja der Fälschung und Majestätsbeleidigung bezichtigte. Das einzige Gute war noch der Befehl an Basel, ohne kaiserliche Verfügung nichts in der Sache zu tun.

Seit jenem Auftreten im Münsterchor war nur ein halbes Jahr verflossen und schon jetzt gab es keine bestimmten Aussichten mehr für Andreas. Dazu empfand er rein menschlich die trostlose Verlassenheit eines Fremdlings.

Wie ringsum in Kirche und Fürstentümern sich Niemand für ihn regte, so auch in Basel selbst, wo er ohne Freunde war und den obrigkeitlichen Schutz wie ein Almosen empfing. Er lebte in einer Einsamkeit, die ihm selbst oft bange machen und ihn dann zu den wildesten Ausbrüchen und Schmähungen treiben mochte. In all seinen Invektiven Proklamationen Manifesten lebt und atmet vor Allem der Haß, die Rachsucht eines schwergekränkten Ehrgeizigen, die privata indignatio, die seine Gegner sofort als seine Schwäche erkannten; auch sein Abscheu vor römischen Zuständen, sein Verlangen nach einer gebesserten Kirche schien mehr den Personen zu gelten als der Sache. Wenn wir vollends den Gedanken nicht los werden können, daß er vielfach die klägliche Rolle eines Werkzeuges Anderer gespielt habe, so schwindet jede tiefere Teilnahme für den unglücklichen

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 878. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/357&oldid=- (Version vom 4.8.2020)