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Rücksicht auf schon Bestehendes, nicht mehr zu Änderndes eine Ausnahme gemacht, während für Kirchen auf der Landschaft eine solche Ausnahme nicht als gerechtfertigt und geboten anerkannt werden wollte.

Wie eine disziplinarische Maßregel der alten Kirche selbst konnte die Ordnung angesehen werden; als solche ruhte sie auf der durchaus billigen und vernünftigen Meinung, daß der Geistliche, der die Messe nicht anerkenne und nicht halte, auch nicht von ihr leben solle. Daher auch eine Erklärung aller Bepfründeten, mit Ausnahme derjenigen zu St. Martin usw., verlangt wurde; der Rat mußte wissen, ob die Pfründen im bisherigen Besitze blieben oder an Andre zu geben waren.

Die Evangelischen allerdings sahen jetzt das durch sie bis dahin Errungene vom Rate gewährleistet, und die Freude über diesen Erfolg lebt deutlich in damaligen Briefen Ökolampads; triumphierend schildert er das Benehmen des enttäuschten Marius; triumphierend redet er von der Messe, daß sie krank sei, daß sie friere, daß sie von ihren eigenen Anhängern vernachlässigt zu werden beginne.

Es handelte sich um einen Erlaß, der einerseits an den Klerus gerichtet war, andrerseits die Hauptfrage der Messe selbst regelte. Indem dabei ausgesprochen wurde, daß hinfort Niemand gezwungen werden solle, Messe zu halten oder Messe zu hören, war mit klaren Worten eine große und neue Auffassung offiziell anerkannt.

Daß wir es freilich mit einem parteiten Rate zu tun haben, zeigt schon die Ungleichmäßigkeit in der Gewährung von Ausnahmen. Jedenfalls gingen alle Kundmachungen dieses Jahres aus einer durch heftige Kämpfe hin und her getriebenen Behörde hervor. Von solchen Streitigkeiten und Erregungen ist damals in der Tat die Rede, und der Rat selbst verfügte, daß unter seinen Mitgliedern Keiner dem Andern seine Rede oder Ratschlag zu Argem oder Ungutem auffassen und dagegen reden, vielmehr einem Jeden seinen freien Ratschlag lassen solle.

Es war ein Moment, da die konfessionelle Politik des Rates als ein Ganzes zur Erwägung kam und neue Gedanken zur Geltung empordrängten. Was bisher diese Politik hatte leiten können: das Überzeugtsein von der durchaus einigenden Kraft eines Gemeinsamen und der Glaube an die Möglichkeit einer Verständigung der streitenden Religionsparteien, — hatte wenig Bestand mehr; seine Schwäche hatte sich beim Kampf um die Messe deutlich gezeigt, und daneben trat nun ein Neues, das nur unter heftigen Kämpfen hatte gewonnen werden können: die Ehrfurcht vor der Freiheit und dem Rechte des Glaubens.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 489. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/510&oldid=- (Version vom 1.8.2018)