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zu St. Martin Kommenden Ketzer; der Weihwasserstein vor dem Münster wird demoliert, Kruzifixe vor den Toren und in Feldkapellen werden niedergehauen und als Brennholz weggeführt. Nachdem in der Karfreitagsnacht 1526 beim Heiligen Grabe zu St. Peter ein Unfug verübt worden, vor dem die beim Grabe sitzenden Priester fliehen müssen, und Ähnliches im Münster geschehen ist, sind die Altkirchlichen in beständiger Angst vor Störungen ihres Kultus.

Es ist eine Zersetzung, die Alles angreift, auch das Familienleben, auch das Tagewerk, auch den Frieden des Geländes vor den Stadtmauern an Sommerabenden, da Erasmus im Rebhäuslein sitzt und den Chrysostomus übersetzt, während nebenan in den Weingärten die Einen zur Arbeit Psalmen singen und die Nachbarn darüber fluchen. Auch in den Gerichten, so beschuldigt man einander, wird nicht nach dem Rechte, sondern nach der Parteizugehörigkeit geurteilt.

Jeder meint, „er habe den rechten Glauben, und der Andre sei des Teufels“; bei welcher Gesinnung die Stadt allstündlich auf einen blutigen Krawall gefaßt sein kann.

In diese Zustände hinein nun erließ der Rat seine Mandate von der Freiheit der Überzeugung, an ein Volk sich wendend, das doch selbst Ruhe zu finden meinte nur bei einer die ganze Stadt umfassenden Gleichheit des Glaubens und der kirchlichen Lehre. Diese Diskrepanz zwischen der Ratspolitik und der allgemeinen Stimmung war um so hoffnungsloser und furchtbarer, als die beiden Parteien just in diesem Widerstreben gegen die Toleranz der Ratsstube einig gingen. So wenig die alte Kirche sich über das ihr selbstverständliche Ablehnen solcher Duldung äußerte, so deutlich redeten ihre Gegner. Auch sie wollten eine Gleichberechtigung der Konfessionen nicht gelten lassen. Mit Unerbittlichkeit drangen sie auf Abstellung des zwiespältigen Predigens, m. a. W. auf Beseitigung der alten Lehre. Sie sahen wie weit ihr Werk schon gediehen war, und verlangten zornig und ungeduldig nach seiner Vollendung. Die Zeiten waren vorbei, da ihre Predikanten sich mit Marius zu verständigen suchten über gemeinsames Wirken; jetzt war Streit und dann Niederlage des Einen oder des Andern das einzig Denkbare; und voll Unwillens schalt Ökolampad über den Rat, der auf zwei Stühlen sitzen wolle.

Alles steigerte sich einer Katastrophe zu. Wie Vorboten einer solchen und als Zeichen des göttlichen Zornes erschienen den erregten Menschen schwere und ungewöhnliche Gewitter, Allem voran der berühmt gewordene Blitzschlag am 19. September 1526, der den Pulverturm bei der Malzgasse traf und weitherum in der Stadt Schaden tat. Schrecklicher war die verheerende

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/512&oldid=- (Version vom 1.8.2018)