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und dann an eine Tafel geführt wurde, die ganz links in einer Ecke stand. Folgen mußte er zwar, er setzte sich aber nicht auf den schmalen, feurigen Eisenstreifen, der die Bank ausmachte, und rührte auch die Speisen nicht an, die ihm doch etwas zu heiß schienen. Obgleich sonst von gutem Appetite, verspürte er jetzt nicht den geringsten Hunger, so schöne und würzige Speisen ihm auch entgegen dufteten. Doch auf einmal wurden Forellen mit frischen Erbsen, alles in einer köstlichen Brühe gekocht, aufgetragen. Forellen und Erbsen! jene so frisch blau, diese so frisch grün! das Herz lachte dem Schneider im Leibe. Er konnte nicht mehr widerstehen, rasch griff er mit der rechten Hand in die Schüssel, aber mit einem lauten, furchtbaren Schrey zog er sie wieder zurück, denn von den drey vordersten Fingern seiner rechten Hand war nichts mehr da, sie waren bis auf den Grund abgebrannt. Er heulte entsetzlich und schrie und fluchte und sprang umher, wie besessen.

Darüber erhob sich ein unbändiges Gelächter in dem ganzen, weiten Gewölbe; Alles sprang auf von seinen Sitzen und drängte sich herbey, um den Schneider heulen und springen zu sehen, und lachte, was es nur lachen konnte. Selbst der Bischof Wilhelm und seine Domherrn vergnügten sich an den Grimassen des verbrannten Männleins.

Doch nicht lange dauerte dieß; denn auf einmal wurde die allgemeine Aufmerksamkeit auf ein gewaltiges Geräusch gerichtet, das sich draußen vor dem Berge erhob. Es war, als wenn über hundert Ritter in schweren Rüstungen, mit Lanzen und Schwertern und auf wilden, schnaubenden Rossen herangesprengt kämen.

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 060. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_060.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)