Seite:Westphälische Sagen und Geschichten 081.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

zu derselben Zeit das Betragen des Pagen der Markgräfin. Diese Keckheit, diese Anmaßung des gewandten, feurigen Italieners gegen Andere, dieses Schmollen gegen seine Dame, wenn er sich nur einen Moment unbemerkt von den Uebrigen glaubte, weckte einen unbesiegbaren Argwohn in mir. Es mußte ein vertrautes Verhältniß zum Grunde liegen. Ich forschte, ich beobachtete sie, ich lauschte; mein Verdacht wurde immer stärker, und endlich zur Gewißheit. Beyde spielen ein schändliches Spiel mit dem edlen Markgrafen!

Der Ritter Gervin war während dieser Erzählung heftig im Gemache auf und nieder gegangen. Rasch trat er jetzt vor den Knappen. Es ist nicht möglich! rief er leidenschaftlich, mit seinen Augen den Knaben durchbohrend.

Meine Sinne trügen mich nicht! erwiderte dieser. Ich sah ihre Umarmungen, ich hörte das Geflüster ihrer Liebe! Wollt Ihr Beweise Herr? Folget mir, jetzt gleich!

Aber der Ritter bedeckte wieder sein Gesicht und winkte verneinend. Nein, nein! rief er mit schmerzlicher Stimme. Ich glaube Dir! Du hast Recht, Du sprachst die Wahrheit! O, nur zu gewiß! nur zu gewiß! das ist ja der Fluch der Sünde! – O, laß mich, Knabe, laß mich allein!

Er ging in höchster Aufwallung, die Hände ringend, auf und ab. Entsetzlich! rief er, entsetzlich, fürchterlich!

Der zitternde Knabe sah ihn kummervoll an. O, lieber Herr! sprach er, fasset Euch! Lasset die schreckliche Nachricht Euch nicht zu stark ergreifen! Werdet

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 081. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_081.png&oldid=- (Version vom 29.12.2019)