Seite:Westphälische Sagen und Geschichten 102.png

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erbaut war, und stellte es dort auf den Altar. Allein am anderen Morgen war es von da verschwunden, und an der Stelle wo man es gestern entdeckt, fand man es wieder. Man wollte es wieder in die Kirche zurückbringen; aber jetzt war es auf einmal so schwer, daß man es nicht aufheben, viel weniger von der Stelle bringen konnte. Da spannte man zwey Ochsen daran, doch auch diese konnten es nicht fortziehen; erst als man sechs Ochsen mit Ketten daran spannte, konnten diese es zu der Kirche unten im Dorfe zurückziehen. Aber am folgenden Morgen war es wiederum aus der Kirche verschwunden, und wieder auf seinem alten Platze oben auf dem Berge, und keine Macht der Erde war jetzt im Stande, es von da fortzubringen. Da sagte ein alter, frommer Einsiedler, der herbeygekommen war, dieß sey ein Zeichen von Gott, daß das Kruzifix nicht von hier fort, sondern hier eine Kapelle haben müsse. Und er selbst sammelte Gaben bey Reichen und Armen, bey Vornehmen und Geringen, und bauete nach Jahresfrist eine schöne Kirche auf dem Platze. Die Kirche steht noch, und das Kruzifix ist sehr wunderthätig, weshalb jedes Jahr Prozessionen zu ihm wallfahrten. Aber von der Stelle kann man es noch nicht bringen.

(Nach alten Legendenbüchern.)
Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_102.png&oldid=- (Version vom 29.12.2019)