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vergraben hat. Das Geld liegt noch da, und zur Strafe muß der Geizige es bewachen. Alle sieben Jahre beym Vollmonde kommt es zum Vorscheine, dann öffnet sich die Erde und das Geld glänzt im Mondscheine, darüber aber sieht man eine blaue Flamme. Wie man diesen Schatz heben kann, hat man noch nicht entdecken können.

In dem Hause, zu dem dieser Garten gehört, wohnte einmal eine Magd, die sich oft verschlief und daher von ihrer Frau ausgeschimpft wurde. Einstmals erwachte dieselbe, und wie sie sah, daß es schon ganz hell war, glaubte sie, sich wieder verschlafen zu haben. Sie kleidete sich deshalb schnell an und ging in die Küche, um das Feuer anzumachen. Wie sie aber während dessen durch das Küchenfenster in den Garten sah, gewahrte sie darin ein kleines Feuer, weshalb sie Stahl und Feuerstein bey Seite legte, eine Schüppe nahm und damit in den Garten auf das Feuer zuging, um sich lebendige Kohlen zu holen. Sie steckte die Schüppe in das Feuer und zog eine Menge Kohlen hervor, mit diesen ging sie in die Küche zurück. Als sie dieselben aber auf den Heerd legte, gingen sie aus, weshalb sie noch einmal in den Garten ging, und sich welche holte. Doch auch diese gingen aus, als sie sie wieder auf den Heerd legte, weshalb sie zum drittenmale in den Garten ging. Als sie aber jetzt an das Feuer kam, ging eine furchtbare Stimme daraus hervor, die rief: Kommst Du noch einmal, so drehe ich Dir den Hals um! Da ließ sie vor Schrecken die Schüppe fallen, und eilte in das Haus zurück. In dem Augenblicke schlug die Uhr Eins. Am anderen Morgen aber lagen auf dem Feuerheerde lauter schöne blanke Dukaten.

(Mündlich.)
Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_120.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)