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Dame in das Gras gleiten, und schwang sich mit unglücklicher Schnelle auf sein Roß. Seine Kameraden folgten eben so schnell seinem Beyspiele; und ehe der alte Zurmühlen noch bey ihnen angekommen war, sprengten alle sechs Räuber schon auf und davon, den Weg nach Clarholz zurück.

Ha, feige Spitzbuben! rief der junge Zurmühlen, sprang von seinem Pferde, und nahete sich der Dame, die unbeweglich im Grase lag.

Es war eine schlanke jugendliche Figur. Ihr Gesicht konnte er nicht sehen, der Schleyer war darüber gefallen. Als er diesen jedoch zurückschlug, mußte er, so ungern und selten er das auch that, gestehen, schönere Züge noch nicht gesehen zu haben. Und doch bedeckte noch Todesblässe das Gesicht, und die Augen waren geschlossen.

Er warf sich zu ihr nieder in das Gras, zog den schönen Körper sanft auf seinen Schooß, und suchte mit Wein, den ihm schnell Einer der Kaufleute reichte, und womit er ihre Schläfe rieb, sie ins Leben zurückzurufen. Es war ein reizender Anblick, der hübsche, kräftige Jüngling, und das bleiche, schöne Mädchen auf seinem Schooße. Selbst die Aeltesten der Reisegesellschaft beneideten den jungen Zurmühlen, und machten sich Vorwürfe, ihm nicht den Vorrang abgewonnen zu haben.

Auf einmal schlug die Dame die Augen auf, aber nur um zu neuem Schrecken zu erwachen. Mochte ihr Blick auch an derartige Auftritte gewohnt seyn, so konnte doch der Anblick so vieler fremder und bewaffneter Menschen, die sie rund um sich her sah, und die Alle nur um ihretwillen da zu seyn schienen, ihr Herz,

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_172.png&oldid=- (Version vom 23.2.2020)