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meinem Lande, und kann erschlagen lassen, wen ich will. Was aber euren zweyten Auftrag anbetrifft –

So, fiel der Wevelinghover ein; so wollt Ihr damit mich unmittelbar an Eure schöne Tochter verweisen.

Und ohne den Grafen ferner zu beachten, wandte er sich zu dieser, und fragte sie: Und Ihr, schöne Gräfin? Welche Antwort habt Ihr für mich? Euer Herr Vater hat doch mit Euch gesprochen? –

Die Gräfin stand, am ganzen Körper zitternd, und schlug ihre Auge zu Boden; auf einmal hob sie es wieder empor, und blickte zum Himmelsgewölbe auf; nur einen kurzen Moment; aber es war ein Blick, der alles ausdrückte, was das menschliche Herz in der entsetzlichsten Angst nur zu fühlen und zu bitten vermag.

Der alte Burggraf sah ihn, und er zerschnitt ihm das Herz. Eine Sekunde lang stand er noch schwankend, unschlüssig, dann trat er rasch vor, ergriff die Hand seiner Tochter, nahm, von seinem Gefühle überwältigt, die Erbleichte in seine Arme, und sagte zu dem Herrn von Wevelinghoven: Ich habe meiner Tochter noch nicht alles gesagt; erlaubt, daß ich es nachhole! In einer Viertelstunde holet die Antwort!

Er sprach diese Worte in einem stolzen, befehlenden Tone. Der Wevelinghover wurde davon betroffen; allein er verstand sie, und mit einem halb wüthenden und halb höhnischen Blicke verließ er das Zimmer.

Vater! sagte die Gräfin, als er fort war: Ich bin bereit! Rufe ihn zurück! Ich will die Seinige werden. Meine Angst war eine Thorheit. – Sie suchte sich stark zu machen, allein sie fiel erschöpft auf einen Stuhl zurück.

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_198.png&oldid=- (Version vom 23.2.2020)