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desto länger und nachdrücklicher vertheidigen zu können, und hiezu war Vermeidung aller Gefechte in freyem Felde nöthig, die nur dazu dienen konnten, sein Heer zu schwächen. Die Verbündeten schienen eben so wenig zu einem offenen Angriffe Lust zu haben, wahrscheinlich, weil sie, um mit Einem vernichtenden Schlage das Haupt ihres Gegners zu treffen, vorher die Ankunft des Grafen von der Mark abwarten wollten. Alle Feindseligkeiten der beyderseitigen, einander im Angesichte liegenden Heere waren daher darauf beschränkt, daß der immer unruhige Bömmelingen von Zeit zu Zeit plötzlich mit einem Haufen ihm Gleichgesinnter aufbrach, um entweder neue Lebensmittel in die Burg zu schaffen, oder dem Feinde einen durch seine Kundschafter verrathenen Transport von Lebensmitteln abzunehmen, wobey er in der Regel glücklich war. Außerdem geschah nichts; nicht einmal wurde ein Angriff auf das von dem alten Oer mit einer auserlesenen Schaar vertheidigte Krassenstein gemacht.

Wochenlang hatte diese Ruhe gedauert. Eine einzige Nacht sollte sie zerstören, und der ganzen Lage der Sache eine andere, aber schreckliche Wendung geben. Es war ein kalter, stürmischer Novemberabend. Die Ritter auf der Burg Stromberg saßen in dem großen, ungeheuren Rittersaale, und erwärmten sich durch edle Weine und durch Erzählungen von Fehden und Abentheuern. Die Gemeinen lagen in den Erdgeschossen der Burg, oder in Hütten, die sie sich auf dem Burgplatze erbauet hatten, oder in den Häusern des bis an die Burg sich erstreckenden Dorfes Stromberg, und suchten Schutz gegen das Unwetter. Von den Feinden hatte man den ganzen Tag nichts gesehen

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_235.png&oldid=- (Version vom 23.2.2020)