Seite:Westphälische Sagen und Geschichten 247.png

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eine starre Leiche, links sein einziger Sohn, der Geliebte, der Bräutigam seiner Tochter; Krassenstein stand in Flammen, sein Heer war vernichtet, sein Freund sah um seinetwillen Hab und Gut brennen. Die stärkste Kraft mußte durch solche Unfälle gebrochen werden. Mit einer großen Thräne im Auge beugte er sich über den gefallenen Morrian; aber das Herz des Jünglings schlug nicht mehr, sein Athem stockte, seine Lippen waren kalt. Fahre wohl! sprach der Burggraf leise; dann versammelte er den kleinen Rest der Seinigen um sich, und während er den Grafen von Tecklenburg beschwor, nach Rheda zurückzukehren, und dieser endlich nachgeben mußte, schlug er mit den wenigen Hunderten, die ihm übrig geblieben waren, durch die zahllosen Reihen der Feinde sich durch, und gewann glücklich die schützenden Mauern der Burg.




In starres Schweigen versunken, saß am folgenden Abend der Burggraf in seinem Gemache, und schaute in die Flamme des Kamins, die im Begriffe stand zu verlöschen. Nicht weit von ihm lag auf einem Ruhebette seine Tochter, blaß, entstellt, die Augen von Thränen geschwollen; aber die Unglückliche weinte jetzt nicht mehr, im Gegentheile sie lächelte, und in Momenten wurde ihr Lächeln zu einem wilden, lauten Lachen; die Schrecken der Nacht hatten ihren schönen, kräftigen Geist zerstört, ihr Herz gebrochen. Der Burggraf achtete nicht auf sie. Von außen her schlug von Zeit zu Zeit ein heller, heftiger Knall in das Gemach, dem jedesmal eine Erschütterung der ganzen Burg folgte. Es war der Knall von zwey Doppelhaken, welche, seit wenigen Jahren in Deutschland erst bekannt

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_247.png&oldid=- (Version vom 23.2.2020)