Seite:Wilhelm ChinVolksm 108.jpg

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und noch viel schöner als früher. Leichthin fragte sie, wie es ihm gehe und was die Eltern machten. Doch war sie nicht besonders herzlich. Nach einer herrlichen Mahlzeit richteten sie ihm eine Wohnung zu.

„Meine Schwester will mit der deinen einen Ausflug machen nach dem Feenberg“, sagte der alte Dschang zu ihm. „Um Sonnenuntergang sind wir wieder zurück. Du kannst so lange hier ausruhen.“

Da erhoben sich farbige Wolken im Hof, und eine liebliche Musik ertönte. Der alte Dschang bestieg einen Drachen, seine Frau und seine Schwester ritten auf Phönixen, das Gefolge auf Kranichen. So stiegen sie in die Luft und verschwanden nach Osten zu. Nach Sonnenuntergang erst kamen sie zurück.

Der alte Dschang und seine Frau sagten zu ihm: „Dies ist ein Haus der Seligen. Du darfst hier nicht allzulange weilen. Morgen wollen wir dir das Geleite geben.“

Am andern Tag beim Abschied gab ihm der alte Dschang achtzig Lot Gold und einen alten Strohhut. „Wenn du Geld brauchst“, sagte er, „kannst du nach Yangdschou gehen und in der Nordvorstadt nach der Apotheke des alten Wang fragen. Dort kannst du zehn Millionen Kupferstücke holen. Dieser Hut ist die Anweisung darauf.“ Dann befahl er einem Knecht, ihn wieder heimzubringen.

Von den Leuten zu Hause, denen er seine Erlebnisse erzählte, dachten manche, der alte Dschang sei ein Heiliger, andere hielten das Ganze für einen Zauberspuk.

Nach fünf, sechs Jahren war das Geld des Herrn We zu Ende. Da ging sein Sohn mit dem Strohhut nach Yangdschou und fragte dort nach dem alten Wang. Der stand gerade in seiner Apotheke und mischte Kräuter. Als er von seinem Anliegen hörte, da sagte er: „Das Geld ist da. Ist der Hut auch echt?“ Er nahm den Hut und sah ihn prüfend an. Ein junges Mädchen kam aus dem inneren Zimmer hervor und sprach: „Ich hab den Hut für den alten Dschang selber geflochten, es muß ein roter Faden

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_108.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)