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was wir zu tun schuldig waren.“ Gott erklärt uns für gerecht. Sind wir gerecht? Nein wir sind Sünder. Sieht Gott nun etwa die Sünde nicht indem er uns Sünder für gerecht erklärt? Er sieht sie wohl, er kennt sie besser als wir selbst; aber er sieht sie nicht an und rechnet sie uns nicht zu. Und warum sieht er sie nicht an? warum rechnet er sie nicht zu? Weil er etwas anderes dafür ansieht, Christi vollkommene Gerechtigkeit oder sein teueres Verdienst. Das sieht er an, rechnet es uns zu, als ob es unser eigenes wäre. Es ist nun freilich nicht unsere eigene Gerechtigkeit, nicht unser Verdienst, aber Gott kann es uns wohl anrechnen, von Christus aus, weil er, der Versöhner, doch alles für uns getan hat und von uns aus, weil wir dieses teuere Verdienst Christi, seine vollkommene Gerechtigkeit im Glauben erfassen und uns aneignen und vor Gott bringen mit der Bitte, daß Gott nicht ansehen wolle unsere Sünde, sondern Christi vollkommene Gerechtigkeit und um derselben willen uns unsere Sünden vergeben, uns für gerecht ansehen und erkennen und annehmen zu seinem Kindern. Die Rechtfertigung gehört mit zum Werke des heiligen Geistes, weil sie sich auf den Einzelnen bezieht. Die Erlösung und Versöhnung gehört in den 2. Artikel, denn das ist etwas was Christus einmal getan für alle Welt. Die Vergebung der Sünde, die Rechtfertigung werden dem einzelnen zuteil und der heilige Geist ist es, der uns zum Glauben bringt, zum Erfassen der Liebe Gottes zu uns und uns damit die Rechtfertigung ermöglicht. Er ist es auch, der uns unserer Gerechtigkeit vor Gott aus Gnaden ganz und völlig gewiß macht, wie wir gestern hörten, daß er Zeugnis gibt unserm Geist durchs Wort und durch die Besiegelung der Sakramente, daß wir Gottes Kinder sind. Wollen wir nur täglich aufs neue immer wieder unseres Rechtfertigungsstandes vor Gott recht gewiß werden, immer wieder erleben dürfen die Liebe Gottes in der Rechtfertigung des Sünders. Ja wollen wir stets leben in der Liebe Gottes; dann ist die Liebe Gottes ausgegossen auch in unser Herz durch den heiligen Geist. Wenn der Apostel (Röm. 5, 5) sich so ausdrückt, so ist auch hier wieder die Frage: Meint er die Liebe Gottes zu uns oder unsere Liebe zu Gott? Aber hier werden wir sagen dürfen: Das läßt sich beides unmöglich von einander trennen. Es steht uns fest: zuerst wird die Liebe Gottes zu uns durch den heiligen Geist in unser Herz ausgegossen, daß wir ganz gewiß werden, Gott hat mich ewig geliebt; damit aber senkt sich auch unsere Liebe zu Gott in das Herz ein. Denn wenn wir diese Liebe erfahren haben, wie könnten wir da anders als ihn wieder lieben?


III.

 Wenn wir darum vom persönlichen Erleben der Liebe Gottes reden, so müssen wir auch sprechen von der dankbaren Bewährung