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Gottes Willen existiert. So viele reden nur von Reichgottesarbeiten und von persönlichem Christentum und vergessen, daß der Einzelne an die Kirche gebunden ist, weil sie die Verwalterin der Gnadenmittel ist und weil in ihr die Gläubigen sich sammeln sollen in einem Bekenntnis und daß auch die Arbeiten für das Reich Gottes an das Bekenntnis der Kirche sollen gebunden sein, wenn wir wirklich ernstlich halten wollen nach dem Wort des Herrn, was wir haben, bis daß er kommt.


II.

 Wir reden weiter von der Erscheinung der Kirche. Gewiß, wenn die Kirche nichts anderes ist als die Gesamtheit der Gläubigen, die Gesamtheit der Menschen, die durch den Glauben in Verbindung stehen mit dem himmlischen Haupt, so ist die Kirche ihrem Wesen nach unsichtbar. Deshalb und insofern werden wir nie und nimmer mit Sicherheit wissen können, wer in Wahrheit der Kirche zugehört. Es ist ja bekanntlich gesagt worden, daß einst in der Vollendung, wenn Gott seine Auserwählten sammelt von den vier Winden, von allen Oertern der Erde, aus allen Zeiten, wir uns über ein dreifaches wundern werden, wundern darüber, daß manche nicht da sind, von denen wir mit Sicherheit gedacht hätten, sie müßten unter den Auserwählten sein, wundern darüber, daß manche da sind, von denen wir nie und nimmer geglaubt hätten, sie zu finden und am meisten werden wir uns darüber wundern, daß wir selbst durch Gottes Gnade und Christi Blut hindurchgerettet sind. Die Kirche als Gesamtheit der Gläubigen ist jetzt in der Gegenwart unsichtbar. Das ist eben die Signatur der gegenwärtigen Zeit, daß das Reich Gottes wirklich vorhanden ist, aber noch nicht erschienen, was es sein soll, noch in der Unsichtbarkeit und Verborgenheit. Daß wir das so entschieden festhalten, scheidet uns von der römischen Kirche, welche die Kirche wie ein rein sichtbares Reich ansieht, mit einem Oberhaupt, das eine dreifache Krone trägt und sich für hocherhaben hält auch über Könige und Kaiser dieser Erde. Und doch kann die Kirche nicht nur unsichtbar sein; man muß doch angeben und wissen können, wo sie auf Erden zu finden ist. Das unterscheidet uns von der Reformierten Kirche, welche die Kirche im wesentlichen als nur unsichtbar faßt. Man kann sich auf die unsichtbare Kirche zurückziehen und das geschieht in der Gegenwart so oft, wenn man auf eine Ausgestaltung der Bekenntniskirche verzichtet. Das ist der Geist des Unionismus, der die Kirche einigt und zusammenbringt, ohne wirkliche Glaubens- und Bekenntnisgemeinschaft. Da zieht man sich auf die unsichtbare Kirche zurück und gibt die sichtbare Kirche gleichsam Preis, verzichtet auf die Erscheinung der sichtbaren Kirche in der Welt. So steht Herrnhut und die Evangelische