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II.

 Nun von unsrer Beteiligung an der kirchlichen Liebestätigkeit! Wenn wir von unsrer Beteiligung an der kirchlichen Liebestätigkeit reden, meine ich damit die der evangelischen weiblichen Diakonie. Ich rufe in Erinnerung, daß das gemeindliche Amt der Kirche verschwand mit der alten Kirche, früher im Abendland, später im Morgenland. In der Reformationszeit finden sich nur leise Erinnerungen an dieses früher bestehende gemeindliche Amt und in der reformierten Kirche, wo aus verschiedenen inneren und äußeren Gründen der Boden besser bereitet war, finden wir einige Ansätze dazu. Als aber, wie wir gehört haben, die Arbeit der inneren Mission der Christenheit von Gott sichtlich zugewiesen wurde, ergab sich auch die Notwendigkeit der Hereinnahme weiblicher Kräfte. Als Fliedner 1836 an Gefallenen zu arbeiten veranlaßt war, brauchte er dazu weibliche Hilfe. In Holland hatte er noch Reste der gemeindlichen Diakonie kennen gelernt; das Vorbild der katholischen Orden der barmherzigen Schwestern stand ihm vor Augen. Erinnerungen an die alte Kirche wurden wach und so ist die evangelische weibliche Diakonie erstanden und mitten hineingestellt worden in die kirchliche Liebestätigkeit des XIX. Jahrhunderts. Ihr Gedanke war der, alle Dienste zu leisten, zu denen weibliche Kraft und Gabe befähigt und berechtigt sind, unter Festhaltung der vom Apostel gezogenen Grenzen, daß das Weib in der Gemeinde schweigen, also nicht öffentlich lehren soll, sodaß nicht Seelenpflege in erster Linie, sondern Dienst in äußerer Not, aber in Rücksicht auf die Rettung der Seele ihr befohlen ist.

 Die Gebiete, die der weiblichen Diakonie zustehen, möchte ich in drei Kreisen vor Augen führen. Der engste Kreis ist der, der sichtlich dem Weib, ihm allein oder doch hauptsächlich in die Hand gegeben ist; es ist die Arbeit am weiblichen Geschlecht, an der weiblichen Jugend und etwa noch an den kleinen Kindern. Da haben wir die Aufgabe der Erziehung und des Unterrichts auf der ersten Stufe in Kindergärten, die nur Aufgabe weiblicher Kraft sein können. Dann das Schulwesen etwa der untersten.Stufe, dann in niederen und höheren Mädchenschulen, in Haushaltungs- und Handarbeitsschulen, Lehrerinnenseminaren, unter Umständen Kindergottesdiensten, also Tätigkeiten, die füglich ganz oder doch teilweise in die Hand des weiblichen Geschlechts zu legen sind. Um Bewahrung der weiblichen Jugend, bezw. auch der kleinen Kinder handelt es sich mehr wieder in aufsteigender Linie in Säuglingspflege, Krippen, Kinderbewahranstalten, in den Horten der Gegenwart, in den Pflegeanstalten und Waisenhäusern, in Mägdeschulen und Mägdeherbergen, in Heimen für die Arbeiterinnen und in den Jungfrauenvereinen. Um Rettung der weiblichen Jugend bezw. auch kleinerer Kinder handelt es sich in Rettungshäusern, der Magdalenenarbeit, im