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andern ergeht, reden und zeugen von Christus und ihr Zeugnis wird wohl in dem Maße dringend und erfassend sein, je mehr sie selbst von der Liebe Christi ergriffen sind. Aber der heilige Geist wirkt nun durchs menschliche Wort in den Herzen und gibt den Menschen einen Eindruck in Herz und Gewissen von der Liebe des Vaters, einen Eindruck davon, daß sie zu Christo kommen sollen, wenn sie Leben und volles Genüge haben wollen, wenn sie Ruhe finden wollen für ihre Seele. Nun sind ja freilich, wie der Herr sagt, viele berufen, aber wenige auserwählt; wir wissen schon, nicht im Sinn der falschen Gnadenwahl oder einer Vorausbestimmung einzelner Menschen zur Seligkeit und der andern zur Verdammnis. Auf alle geht diese Botschaft, auf alle bezieht sich der göttliche Gnadenwille freilich unter der Voraussetzung des Glaubens an Christus; denn nur in Christo hat Gott uns zur Seligkeit erwählt und eben dasselbe berufende Wort ermöglichte nun auch die Entscheidung für den einzelnen, ja drängt ihn dazu. Es ist freilich immer nur – das ist ein großer Ernst – eine kleine Zahl, welche persönlich die Entscheidung für Christus in sich vollzieht. So dürfen wir auch nie denken, daß wir wie von selber zur kleinen Zahl der Auserwählten gehören, etwa weil wir uns zur wahren Kirche bekennen oder weil wir zu den Positiven zählen oder weil wir Schwestern sind oder das Amt des Wortes tragen oder sonst unter die gerechnet werden, die man bewußte Christen nennt. Wie kommt es vielmehr zur inneren Entscheidung? Das geschieht schließlich nicht anders als durch die Erfahrung der göttlichen Liebe, daß wir innerlich etwas von der Liebe unseres Heilandes erleben. Luther hat das auch damit sagen wollen, daß er bekannte: „Der heilige Geist hat mich durchs Evangelium berufen,“ durchs Evangelium und nicht durchs Gesetz. Das Gesetz offenbart den heiligen Willen Gottes und damit den Zorn Gottes über die Sünde; das Evangelium aber ist die frohe Botschaft von der Liebe und Erbarmung Gottes und das allein kann das Herz innerlich erwärmen und überwinden. Es ist ja wohl bekannt die Geschichte von dem roten Indianer Nordamerikas, der erzählte: Erst kam ein Missionar zu mir und sagte: „Ihr roten Leute, ihr sollt nicht morden und rauben!“ Dem sagte ich: „Gehe zu deinen weißen Leuten und sage es denen; sie machen es gerade so.“ Dann kam David Zeisberger, setzte sich zu mir in meine Hütte und sagte: „Ich will dir von einem erzählen, der dich lieb gehabt hat, ehe du ihn kanntest.“ Und er erzählte mir von Christo; da sprach ich: „Sage mir das noch einmal, das muß ich hören.“ Aehnliches hat Ziegenbalg erlebt, als er bei der Uebersetzung des neuen Testaments ins Tamulische von einem eingebornen Schulmeister sich helfen ließ. Als sie an das Wort aus 1. Joh. kamen: „Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Gottes Kinder sollen heißen“, da brach der Tamule in