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mehr der Empfehlung durch Weißagungen. Deshalb sind auch der Wunder und Weißagungen weniger geworden. Die Erhaltung der Kirche unter den Anfeindungen des Teufels und aller seiner Rotten, ihr ungeschwächtes, frisches, immer jugendliches Bestehen seit 1800 Jahren ist selber Wunders genug, wenn etwa einer ja die Stimme der Wahrheit nicht an und für sich selbst für eindringend und überwindend genug hält. Ja, wir müßen nach solcher Gestaltung der Dinge uns hüten, daß wir uns durch Wunder nicht allzuleicht blenden laßen. Denn es gibt Dinge, welche Wundern ganz ähnlich sehen und doch keine Wunder sind, und man muß Wunder deshalb von wunderlichen und wunderbaren Ereignissen unterscheiden. Wunder im eigentlichen Sinn thut Gott allein, seis unmittelbar, seis mittelbar durch seine Knechte, wie denn geschrieben steht: „Gelobet sei Gott der HErr, der Gott Israels, der allein Wunder thut!“ Ps. 72, 18. Hingegen wunderliche, wunderähnliche Dinge, Wunder im allgemeineren Sinn thun nach Matth. 24, 24. ff., 2. Thess. 2, 9. und Offenb. 13, 13., auch falsche Propheten, der Antichrist, das Thier. Geben wir nun gleich gerne zu, daß der Arm des HErrn nicht verkürzt sei, daß Er, zumal wo es gilt, seine himmlische Wahrheit zu bestätigen, auch heute noch Wunder thun könne; geben wir zu, daß nichts in der h. Schrift ist, was besagte, daß gegenwärtig keine Wunder mehr geschehen können; so ist es doch sehr nöthig, die Dinge, die etwa vor unsern Augen geschehen, zu prüfen und die unverbrüchliche Regel zu behalten, daß wahre Wunder nur zum Besten der reinen Lehre geschehen können und daß sie ohne die uns längst bekannte reine Lehre des klaren Gotteswortes nichts beweisen. 5. Mos. 13, 1–5.

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 Aehnlich ist es mit den Weißagungen. Wir läugnen nicht, daß der Geist der Weißagung noch lebt, daß Er waltet und wirkt, daß die Gabe der Weißagung noch in der Kirche sei. Aber wir behaupten, alle Weißagung müße dem Glauben ähnlich sein, – müße namentlich im Neuen Testamente sich zu dem Worte des HErrn wie das Besondere zum Allgemeinen, wie der Schluß zum Satz, wie die Knospe zum Gewächse verhalten. Eine Weißagung nicht zur Bestätigung und nicht im Zusammenhang