Seite:Wilhelm Löhe - Tägliche Erneuerung des Taufbundes.pdf/7

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als ein verlornes Kind zu dem himmlischen Vater zurückzukehren; aber wenn man es immer aufs neue mit so wenigem Erfolge thut, wie ich, so geräth man in die Anfechtung, ob man nicht von Gott anstatt erhört vielmehr verlaßen sei.“ So könntest du sagen und noch lange so zu reden fortfahren. Auch kenne ich selbst diese Sprache eines verzagenden Herzens aus eigener Erfahrung so wohl, daß ich an deiner Statt selbst fortfahren könnte, wenn ich wollte. Vielleicht würde dann meine Rede und Erfahrung der deinen so ähnlich sehen, daß du dich befriedigter fühltest, als wenn ich dir einen beßeren Dienst leistete; denn es liegt bei dem Austausch derselben Gefühle und Erfahrungen für die Menschen ein arger Selbstbetrug ganz nahe, weil das scheint wahr und richtig zu sein, was man nicht allein selbst, sondern in Uebereinstimmung mit andern Menschen erfährt und ausspricht. Aber das mag nun sein, wie es will, so darf ich dich doch nicht meine Ermahnung durch den Ausspruch solcher und ähnlicher Bedenken zurückweisen laßen. Gesetzt, du hättest von der oftmaligen Erneuerung deines Taufbundes weiter gar keinen Nutzen als den, deine Schwachheit und deine Untreue immer und immer wieder recht bitter zu empfinden; so wäre ja das am Ende recht gut, und gar nichts anders, als das tägliche Sterben deines alten Adams, dem allerdings todweh wird, wenn es alle Tage sonnenklar hervortritt, daß er nichts Gutes vermag. Und ferner, gesetzt, du kämest bei allen deinen eigenen Vorsätzen zu keiner eigenen Gerechtigkeit, was ja auch nicht sein soll, da es keine eigene Gerechtigkeit des Menschen gibt; so läge doch in dem immer erneuten Versprechen der immer erneute Ausspruch eines bereits gebeßerten Willens. Wärest du denn weiter im Guten, wenn du aufhörtest, zu versprechen, und etwa auch aufhörtest zu reuen, wenn du an die Stelle der Reue und des Versprechens eine stumpfe Gleichgiltigkeit setzest und nun alles gehen ließest, wie es könnte, ohne dich weiter