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zusammen, der ihn beredete, sein bischen Vermögen in einem gemeinschaftlichen Cigarrengeschäfte anzulegen. Dies ging anfangs auch ganz vortrefflich, so daß Gerstäcker endlich der verzehrenden Sucht nach Jagd und Abenteuern eine Abschlags-Concession machen zu dürfen glaubte. Er übergab dem Compagnon die Führung des Geschäftes, schulterte die Büchse, warf das Blanket über und verfügte sich in die Wälder des Nordwestens. Zwei Monate lang durchzog er die Wildniß als Gast der Indianer, Pelzjäger, Trapper und Waldläufer; die Jagd, mit der es ihm anfangs schlecht ging, gewährte ihm zuletzt reichlichen Unterhalt. Nur ungern kehrte er nach Newyork zurück. Als vollkommener Hinterwäldler trat er vor seinen Laden – eine andere Firma ist angebracht. Bestürzt fragt er – der wackere Compagnon hat mittlerweile die Handlung verkauft, Alles, auch des Freundes Effecten, zu Geld gemacht und war dann verschwunden. Da stand denn Gerstäcker „omnia sua secum portans“ in Nordamerika. Aber augenblicklich erwachte die Spannkraft seines Geistes – er lachte hellauf, verwendete das bischen Baarschaft, was ihm noch geblieben war, zum Ankauf von Pulver und Blei – dann machte er rechtsum Kehrt und marschirte getrost wieder zurück in die Wildnisse der Alleghanies. Sechs Jahre lang trieb er sich in ihnen herum; während dieser Zeit hatte er mehreremale zu Fuß das ganze ungeheure Gebiet vom Grand Decharge River in Canada bis zu den Mississippi-Bayous, von den Wäldern des Ohio bis in die Prairien des fernen Westens durchmessen. Größtentheils lebte er von der Jagd; häufig aber zwangen ihn die Verhältnisse zu anderem Erwerbe. Bald half er den Farmern ackern, ernten und dreschen gegen Lohn, bald stand er als Kellner an dem Bar einer Urwaldschänke; einmal war er in einer Hütte am Ufer des „Vaters der Gewässer“ angesiedelt, um Holz zu schlagen für die vorüberbrausenden Dampfschiffe; das anderemal wieder verrichtete er den Dienst des Heizers auf einem derselben. Mit einem Jagdgefährten unternahm er kühne Canoefahrten auf dem Mississippi, um in dessen Sümpfen Rohre zu schneiden, welche, in Neworleans als Cigarrenspitzen verkauft, so guten Gewinn abwarfen, daß Beide ein Hôtel zu Point-Coupie pachten und halten konnten. Inzwischen hatte Gerstäcker viele so frische, gewinnende Schilderungen seiner abenteuerlichen Kreuz- und Querzüge nach Deutschland gesendet, daß die ersten Blätter ihnen gern ihre Spalten öffneten und ihn zur Fortsetzung ermuthigten. Mehr bedurfte es nicht, um ein schon lange in ihm kämpfendes Heimweh zur verzehrenden Flamme anzufachen; rasch entschlossen, warf er Alles hinter sich und kehrte wieder nach Europa zurück. So vielen Anklang aber auch seine ersten zusammenhängenden Schriften fanden, so bald mußte er dennoch erfahren, daß das Literatenthum gar bitteres Brod bietet. Er hatte schwere Kämpfe durchzumachen; zwang ihn zuletzt doch sogar die Noth, sich als Uebersetzer jenem berüchtigten sogenannten „literarischen Comptoir“ des Dr. Philippi in Grimma zu verdingen, von dem in unseren Kreisen die Sage ging, daß die darin Beschäftigten wöchentlich einen Thaler neben der Kost, halbjährig ein Paar Stiefel und zu Weihnachten

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Wilhelm von Hamm: Fritz Gerstäcker. A. Hartleben, Wien 1881, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_von_Hamm-Fritz_Gerst%C3%A4cker-1881.djvu/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)