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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

läßt) auf nahezu 500 Wiener Fuß, gleich 158 Meter, die Breite des Querhauses auf die Hälfte dieses Maßes angenommen wurde. Da sowohl Johann wie Karl ihre Jugendjahre in Paris verlebt hatten und für französische Bildung sehr eingenommen waren, darf man sich nicht wundern, daß Meister Mathias sich bei seinen Anordnungen zunächst an französische Vorbilder hielt. Er band sich jedoch an kein bestimmtes System, entnahm die Hauptmaße dem Kölner Dome, indem er zugleich allerlei Rückerinnerungen an sein Heimatland einzuflechten versuchte. In seiner Formengebung herrscht eine gewisse Magerkeit, welche eher an die Ziegelbauten der Niederlande, als an die französischen Kathedralen erinnert, auch zeigen die von ihm angelegten Partien eine Einfachheit, wie sie in solcher Strenge schwerlich wieder getroffen wird.

Das System, mit den Dekorationen abzuwechseln, war dem Mathias unbekannt oder wurde von ihm verschmäht; alle unter seiner Leitung ausgeführten Fenster, Strebepfeiler und Brüstungsgeländer sind unter sich gleich, die Fenster mäßig breit, je durch zwei dünne Stäbe in drei Felder eingetheilt und mit Vierpässen bekrönt. Eigenthümlich, aber nicht gerade mit künstlerischem Verständnis durchgebildet, erscheinen die innern freistehenden Pfeiler und die Wandpfeiler, welche Kugler in seinem Handbuch der Kunstgeschichte wie auch in den „Kleineren Schriften“ kurzweg als flach und kraftlos bezeichnet. Diese Theile, wie überhaupt alle Gesimse und Profilirungen, tragen die deutlichsten Anzeigen, daß der Baumeister sich in die Formen der Ziegelkonstruktion eingelebt und dieselben auch bis zu seinem Ende festgehalten habe. Dabei ist die Ausführung die sorgfältigste und minutiöseste, welche gedacht werden kann; auch gewähren die ruhigen Wandflächen im Gegensatze zu den allzu vielen Linien der meisten gothischen Bauwerke dem betrachtenden Auge angenehme Ruhepunkte.

Das reichliche Lob, welches Fiorillo und Quatremère de Quincy, bekanntlich keine Freunde des gothischen Stils, dem Prager Dome spenden, bezieht sich hauptsächlich auf die fast antikisirend einfache Formgebung des französischen Meisters.

Mathias leitete, wie aus obiger Inschrift erhellt, den Bau acht Jahre hindurch, legte die Chorkapellen nebst den inneren Chorpfeilern, dann die südliche Umfassungswand mit dem Vorsprunge des Querschiffes an, vollendete jedoch nur eine einzige der Chorkapellen. Der Dom war auf fünf Schiffe berechnet und an der Westseite sollten sich zwei mächtige Thürme erheben; zwischen diesen und dem Querhause waren sechs Traveen (die Thurmhalle nicht eingerechnet) für das Langhaus projektirt. Das zum Theile noch von Mathias ausgeführte Querhaus hält mit dem Mittelschiffe gleiche Weite ein, ist aber nicht wie in Köln oder Amiens mit Nebenschiffen versehen, sondern einfach, durch welche Anordnung sich, falls sie genau ausgeführt worden wäre, ein übermäßiges Längenverhältnis ergeben hätte. Der Chorschluß ist fünfseitig, jedoch nicht aus der Hälfte des Zehnecks, sondern aus fünf Seiten des Neunecks konstruirt und mit fünf Kapellen ausgestattet. Zwischen dem Querhause und dem Chorpolygon bestehen fünf gerade Traveen, mithin war sowohl im Chore wie im Langhause je eine Travee mehr angeordnet, als im Kölner Dome.

Die Maße gestalten sich in Wiener Fußen:

Weite des Mittelschiffes von einer Pfeilerachse bis zur entgegenstehenden 045.
Weite eines jeden Nebenschiffes von Achse zu Achse 022½.
Entfernung der Pfeilerachsen von einander in der Längenrichtung 022½.
Weite einer Chorkapelle 026.
Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/012&oldid=- (Version vom 1.8.2018)