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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

Konstruktionen, welche der Gmünder Meister mit Vorliebe anzuwenden pflegte, indem er das Polygon auf die Spitze stellte.

Bei vorwaltender Einfachheit sind die Maße sehr ergiebig und es kommt namentlich die Spannweite des Mittelschiffes mit 40 Wiener Fuß = 12½ Meter den Verhältnissen der bedeutendsten Dome ziemlich nahe. Ein Querschiff ist nicht angedeutet, auch fehlen Umgang und Chorkapellen. Die Gesammtlänge im Lichten beträgt 176 Fuß, von denen 34 auf Presbyterium und Chorschluß, 142 auf das Langhaus entfallen, die lichte Gesammtweite ist 88 Fuß, die Höhe des Mittelschiffes 98, die Höhe der Nebenschiffe 49 Fuß, so daß die doppelte Kirchenweite der Gesammtlänge und die doppelte Höhe der Nebenschiffe der Höhe des Hauptschiffes gleichkommen. Obwohl der Chor im Vergleich mit den meisten großen Kirchen auffallend kurz erscheint, gewähren die hohen und weiten Räume doch einen großartigen und echt kirchlichen Eindruck, welcher den Mangel eines Querhauses vergessen läßt. Die Westfronte mit ihren stattlichen Thürmen und dem dazwischenliegenden Portale ist als der einzige ganz vollendete gothische Façadenbau, welchen Böhmen besitzt, merkwürdig. Hohe Beachtung verdient ein an der Nordseite des Schiffes angebrachtes mit einer Vorhalle überdecktes Portal, ein Meisterstück zierlicher Steinmetzarbeit, eng verwandt mit dem Eingang der Wenzelskapelle im Prager Dome. Die geistreich erfundenen und mit großer Akkuratesse ausgeführten Maßwerke im Lichtgaden der Teynkirche nähern sich den zu Kolin ausgeführten Arbeiten, so daß die Teynkirche als Mittelglied zwischen dem Dome und der Koliner Kirche angesehen werden darf.

(Fortsetzung folgt.)


Zur schwäbischen Grafengeschichte.
Von
Dr. Franz Ludwig Baumann.
2. Ueber die angeblichen Grafen von Ruck.

Stälin[1] und L. Schmid[2] schenken der Ueberlieferung, daß auf der ehemaligen Veste Ruck bei Blaubeuren am Ende des 11. Jahrhunderts ein Zweig der Grafen von Tübingen gehaust und sich nach dieser Veste benannt habe, vollen Glauben und haben deshalb unbedenklich in ihre Stammtafeln der Tübinger einen Grafen Siboto von Ruck, dessen Gemahlin Adelheid und dessen Söhne Wernher, Walther und Siegfried eingetragen. Da aber diese Ueberlieferung in ihrer heutigen Form nur auf die im Jahre 1521 geschriebene Chronik des Klosters Blaubeuren von Christian Tubingius[3] zurückgeführt werden kann, so wage ich nicht derselben


  1. Wirtembergische Geschichte II, 426 ff.
  2. Geschichte der Pfalzgrafen von Tübingen 33 ff.
  3. Gedruckt bei Sattler, Geschichte des Herzogthums Würtenberg unter der Regierung der Graven V, 338–406. – Die hier in Betracht kommenden Stellen stehen dort S. 3453–52. – Eine neue kritische Ausgabe des Tubingius, die namentlich dessen stichhaltige Mittheilungen durch den Druck hervorheben würde, wäre sehr wünschenswerth, denn Sattlers Abdruck strotzt von Lesefehlern.
Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/086&oldid=- (Version vom 1.8.2018)