Seite:Zürcher Diskußjonen (16–17) 006.jpg

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seine Kommittenden, die ihn mir angehetzt. Ich sah den guten Willen, daß man mich in der öffentlichen Meinung vernichten wollte, und ich wäre ein Thor oder ein Schurke gewesen, wenn ich Rücksichten und Verhältnisse halber schonen wollte. Mein Leben ist so rein, daß ich ruhig erwarten kann, daß man allen Skandal gegen mich aufwühle. Ich war so mäßig, daß ich keinen Skandal auftischte, daß die wenigen Personalnotizen, die ich gab, nur das Litterarische erklären sollten. Der Dieb, der in Odensee im Zuchthause sitzt – ist ein Graf Platen. Während Platen bei Cotta wedelte, schrieb er an Schenk, daß Cotta ihn verhungern lasse, daß man etwas bei dem König (Ludwig I. v. Baiern) für ihn thun müsse, daß er ja doch nicht lange leben könne, er sei in der Auflösung. Zu jener Zeit beschwor mich Beer gegen Schenk nichts Nachtheiliges von Platen zu sagen, weil von Schenk die königliche 600-Guldengnade abhinge – ich sprach zu seinen Gunsten, ich stimmte Madame Cotta für ihn, ich that noch mehr, was ich jetzt verschweigen muß – und zu derselben Zeit schrieb der Elende den „Oedipus.“ Heiliger Gott! welcher Bassesse der Schmeichelei ist solch’ Auswürfling der Adelskaste fähig! Ich weiß Greuel, die ich nicht dem Papier zu vertrauen wage. Sein Groll gegen Sie hat minder persönliche Anläße. Er empfiehlt sich nur dadurch einem Bund von Pfäffchen, Baronen und Pädrasten, der verbreiteter und mächtiger ist, als man glaubt.“ u. s. w. (an Immermann, Ende Dezember 1829, Briefe v. H. Heine. Hamburg 1863. I. S. 363).

Folgen wir jezt Heine eine Streke bei seinem Scharfrichteramte. Nicht mit einem einzigen gewaltigen Ruk schlug er den Feind zu Boden, sondern er bediente sich zuvor vieler schmerzhafter Nadelstiche, welche den Gegner tief verwunden mußten. Wir können hier nur einige der markantesten der mit aristophanischem Pinsel gemalten Nummern der allbekanten Schlammbäder von Lucca wiedergeben, denen er das Zitat aus „Figaro“ vorsezte.

„Will der Herr Graf ein Tänzchen wagen,
So mag er’s sagen,
Ich spiel’ ihm auf.“

„Das ist eben das Schöne – schreibt Heine – an diesem Dichter, daß er nur für Männer glüht, in warmer Freundschaft; er gibt uns den Vorzug vor dem weiblichen Geschlechte, und schon für diese Ehre sollten wir ihm dankbar sein. Er ist darin größer als alle anderen Dichter, er schmeichelt nicht dem gewöhnlichen Geschmack des großen Haufens, er heilt uns von unserer Passion für die Weiber, die uns so viel Unglück zuzieht. – O Weiber! Weiber! wer uns von euren Fesseln befreit, der ist ein Wohlthäter der Menschheit. Es ist ewig schade, daß Shakespeare sein eminentes theatralisches Talent nicht dazu benutzt hat, denn er soll, wie ich hier zuerst lese, nicht minder großherzig gefühlt haben, als der große Graf Platen, der in seinem Sonnette von Shakespeare sagt:

„Nicht Mädchenlaunen störten deinen Schlummer,
Doch stets um Freundschaft sehn wir warm dich ringen:
Dein Freund errettet dich aus Weiberschlingen,
Und seine Schönheit ist dein Ruhm und Kummer.“[1]

„Der Standpunkt, von wo ich den Grafen Platen zuerst gewahrte, war München, der Schauplatz seiner Bestrebungen, wo er bei allen, die ihn kennen, sehr berühmt ist, und wo er gewiß, so lange er lebt, unsterblich sein wird. Besonders lobte man seine Zuvorkommenheit gegen Jüngere, bei denen er die Bescheidenheit selbst gewesen sei, indem er mit der liebreichsten Demut ihre Erlaubnis erbeten, dann und wann zu ihnen auf’s Zimmer kommen zu dürfen, und sogar die Gutmüthigkeit soweit getrieben habe, immer wieder zu kommen, selbst wenn man ihm die Lästigkeit seiner Visite auf’s Deutlichste merken lassen. Dergleichen Erzählungen haben mich gewissermaßen gerührt, obgleich ich diesen Mangel an Personalbeifall sehr natürlich fand. Vergebens klagte oft der Graf:

„– Deine blonde Jugend, süßer Knabe,
Verschmäht den melancholischen Genossen.
So will in Scherz ich mich ergehn, in Possen,
Anstatt ich jetzt mich bloß an Thränen labe,
Und um der Fröhlichkeit mir fremde Gabe
Hab’ ich den Himmel anzuflehn beschlossen.“




  1. Nr. 5 der „Sonette“, überschrieben: „Shakespeare in seinen Sonetten“, in: Gesammelte Werke des Grafen August von Platen Stuttgart, J. G. Cotta. 1870. Bd. I. S. 204.
Empfohlene Zitierweise:
Oskar Panizza u. a.: Zürcher Diskußjonen. Zürich, Paris: , 1897–1900, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Z%C3%BCrcher_Disku%C3%9Fjonen_(16%E2%80%9317)_006.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)