Seite:Zürcher Diskußjonen (18–19) 007.jpg

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Ich erschrak. –

Was ist das? – frug ich.

„Ja, das sind ja euseri Chueli .... was mached Si au für Sache da? .... Wo chömed Si da jezt so g’schwind daher? – Isch jezt das au an Affüerig? ....“

Was? Ihr habt Kühe? – Das ist ja reizend! – Da ist ja ganz arkadisch! – Und wo sind Deine Gespielinnen? ....

Sie runzelte die Stirne: „Was isch das? – Das verstahn i nüd! ....“

Ich meine: bist Du ganz allein hier?

„Jä nai – mer sind drei Schwöstere, de Vater ischt g’schtorbe ....“ und mit einer plözlichen Entschloßenheit ging sie nach rükwärts, öffnete die Türe und rief mit heller Stimme in’s Haus hinein: „Bäbeli – Röseli – chömmed ihr jezt da g’schwind use – dä Herr aluege – ja das isch e b’sundere ....“

Bärbeli und Reseli kamen nach wenigen Minuten angestürmt, mit großen Augen, lachendem Mund, die blonden Haare wirr über’s Gesicht hängend, und sahen sich betroffen den Fremdling an. Sie waren nicht so hübsch und so ebenmäßig wie die große prächtige Venus im Berner Kostüm, mehr in’s Breite, Marzjalische gehend, hatten Rechen und Heugabel in der Hand, die Vorderarme nakt, gebräunt, gewaltig, das grobe aber schneeweiße Hemd am Oberarm pritschnaß anliegend, der Hals frei, von einer blauen Glasperlenschnur umfaßt, die Brüste von einem blumigen, kreuzweis von den Schultern in das stramme Mieder hineinverlaufenden Tuch zusammengehalten, die Hüften breit, breit wie eine Tonne, von einem sakgroben, blauen Drilch-Rok umschloßen ....

Und die beiden Schäferinnen vom pentelischen Hain fingen plözlich laut und hell zu lachen an, daß man ihre bliz-weißen Zähne sah und die Heufloken von dem zerschüttelten Körpern stoben.

Und Bärbeli frug: „Was ischt jezt das für es Gschrei gsi vorhi? ....“

„Ja, lueget ihr jezt nur dä Herr da a – sagte Venus – dä hat mi jezt da eso preßt, daß i hab schier nümme schnaufe chönne! ....“ und dabei zeigte sie an ihrer Talje die Stelle, wo ich sie umklammert hatte.

Ja Kinder – sagte ich – ich denke, wir bleiben jezt beieinander, nachdem wir doch beisammen sind – Sol ist uns günstig, Apollo’s goldnes Auge schwärmt über den Himmel, hier ist Kühle, Epheu umrahmt unser Dach, sezt Euch her, holet den Mischkrug ....

„Ja, woher! – schrien Bärbeli und Reseli zusammen – mer händ no ’s Grumet inne z’tue, derna chömmed mer scho use ....“ – Ich hörte aber, wie die Mädchen im Weggehen sich anstießen, und Reseli sagte: „Dä ischt aber jezt än verrukte Herr das, was will jezt der? ....“

Venus aber, die jezt allein zurükblieb, kam zu mir an den Tisch, an dem ich mich niedergelaßen hatte, stelte sich dicht vor mich hin, schaute mir tief in’s Auge und frug: „Was trinkt dä Herr furen Wii? Aen 95er Eglisauer? Oder än Härrliberger?“ – und in diesem dunklen Auge lag etwas wie: Fremdling, nimm keinen billigen, denn Deine ganze bisherige Aufführung ist derart, daß Du Dich hier nicht kannst lumpen laßen wollen ....

So, habt Ihr griechische Weine – erwiderte ich – das ist schön, ja, bring mir vom Beßeren, einen halben Liter, und einen Bißen Brod dazu ....


Empfohlene Zitierweise:
Oskar Panizza u. a.: Zürcher Diskußjonen. Zürich, Paris: , 1897–1900, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Z%C3%BCrcher_Disku%C3%9Fjonen_(18%E2%80%9319)_007.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)