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und nur zerrissene Fetzen derselben hingen noch als einzelne schmale graue Bänder in mehreren Stockwerken hier und dort über einander; einige schienen ringförmig den Kegel des Pik zu umgeben. Gegen den Nachmittag hin zogen sich diese Wolkenreste dichter zu einem einzigen grauen Ringe zusammen, welcher sich um den eigentlichen Fuß des Piks herumlagerte und denselben gänzlich von der breiten Nordküste der Insel abtrennte, der wir uns mehr und mehr näherten. Doppelt herrlich und mächtig erhob sich nun die gewaltige weiße Pyramide über der grauen Wolkendecke, die auf dem niederen Vorland lagerte, und schon konnten wir mit dem Fernrohr scharf die einzelnen Zacken der Küstenmauer unterscheiden. Was bedeutete aber die helle, fast silberglänzende Farbe des Pyramiden-Gipfels? War es wirklich Schnee oder war es nur der strahlende Reflex des Sonnenlichts von der weißgrauen Bimsstein-Decke, die den obersten Theil des Pik überlagert, und von der wir aus den Reisebeschreibungen wußten, daß sie auch mitten im Sommer, wo gar kein Schnee auf dem Pik liegt, den Seefahrer täuscht, und ihm einen beschneiten Gipfel vorspiegelt? War es wirklich Schnee, so stand es vermuthlich schlimm um unsere beabsichtigte Ersteigung des Gipfels, und daher betrachteten wir diesen verdächtigen Silberglanz mit Zweifel und Mißtrauen.

Unsere Ungeduld, den Boden von Teneriffa zu betreten, der scheinbar schon so nahe, in Wirklichkeit aber wohl noch fünf oder sechs Meilen entfernt lag, war nicht gering. Sie wurde aber noch auf eine harte Probe gestellt. Denn widriger Wind nöthigte unsere Segelfregatte zu kreuzen und nur langsam konnten wir uns nähern. Gegen Abend hüllte sich der Pik wieder in einen dichten Wolkenschleier. Als wir am andern Morgen erwartungsvoll auf das Verdeck traten, erblickten wir die Küste unserm Schiff ganz nahe. Es war aber nicht die Küste von Teneriffa, sondern von Gran Canaria, einer Insel, welche beinahe einen Breitengrad weiter nach Südosten liegt, in der Mitte durchschnitten vom 28. Breitengrade, welchen die südlichste Spitze von Teneriffa so eben berührt. Bald schwellte jedoch ein günstiger Wind die vollen Segel unserer Fregatte, welche nun ihren Cours nach Nordwesten nahm und um 12 Uhr Mittags am 22. November, auf der Rhede von Santa Cruz, die Anker fallen ließ.

Santa Cruz ist die Hauptstadt von Teneriffa und zugleich Sitz der canarischen Regierungs-Behörden, und wurde als solche von unserem Kriegsschiffe mit 21 Kanonenschüssen salutirt, welche die Strandbatterien alsbald erwiederten. Die Stadt liegt am Südrande sehr nahe der nordöstlichen Ecke der Insel, deren dreieckige Gestalt große Aehnlichkeit mit der Insel Sicilien hat. Bei beiden Inseln streicht die Nordküste von ONO. nach WSW. Während aber die kürzeste Seite des

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_004.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)