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II.
Wahrnehmungen auf einer Fahrt von Chartūm nach dem Gazellen-Fluß, Januar–März 1869.
Von Dr. Georg Schweinfurth.


5. Januar 1869. Gegen Mittag verläßt die Barke die Stadt Chartūm und segelt ohne Aufenthalt den Weißen Nil hinauf.

6. Januar 1869. Nachdem die Nacht hindurch gesegelt worden, hat man früh Morgens den Gebel Mandera in Sicht und kommt gegen 10 Uhr Vormittags beim Gebel Berēma vorbei. Die Uferlandschaft bleibt sich gleich. Der Wüstenrand fällt dünenartig ab und ist mit schmalen Baumstreifen, oft licht, oft dichter, zu beiden Seiten des Flusses bestanden, gebildet von Harrās-Acacien (A. albida D.) und der großen Form der Schirm-Acacie (A. spirocarpa H.), welche Ssāmmor in den nördlichen Wüsten Nubiens, hier Sejāl genannt wird. Die Vegetation bewahrt den vollen Wüsten-Charakter Nubiens; Panicum turgidum F., das als Kameelweide allverbreitete Schūsch-Gras, ist hier noch in Massen vertreten.

7. Januar 1869. In der Frühe wird Getēna am rechten Ufer erreicht, woselbst ausgedehnte Culturen in der Nähe des Dorfes liegen. Auf den benachbarten weiten, nackten Uferflächen bieten frisch-sprossende Cyperus-Rasen erwünschte Weide für Tausende zusammengeschaarter Gänse. Das rechte Ufer wird theils von nackten, bis 30 Fuß hohen Sanddünen, theils von großen Uscher-Gebüschen (Calotropis) begrenzt, das linke, unabsehbar flache, mit spärlichen Baumreihen, scheint zahlreiche Durra-Culturen aufzuweisen.

Dieser Contrast im Charakter der Uferlandschaft hat seinen Grund in einem hydrographischen Gesetze, welches der untere Lauf des Weißen Nils in auffallender Weise zur Schau trägt. Daß von S. nach N. strömende Flüsse (vermöge der aus südlicheren Breiten in nördliche übertragenen größeren Rotations-Geschwindigkeit ihrer Wassertheile) stets das rechte Ufer abzuspülen pflegen, während sie ihre Deposita am linken ablagern, tritt hier deutlich dem Reisenden vor Augen. Daher sind denn auch die Felder hauptsächlich am westlichen Ufer, während das östliche wiederum mehr Ortschaften und ein tieferes Fahrwasser aufweist. Alle Barken segeln daher nur auf dieser Seite und halten nie auf der westlichen, wo sie in weitem Abstande vom Lande keine hinreichende Tiefe mehr finden. Der Reisende, welcher nun

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_029.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)