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von 2 Stunden, als Kornvorräthe, Hühner, Eier, Butter etc. in Menge für geringe Preise von Perlen erstanden worden, ertönte der Signalschuss zum allgemeinen Aufbruch und verursachte den grössten Schrecken unter den Negern, welche den Ausbruch von Feindseligkeiten befürchtend, mit Blitzesschnelle nach allen Seiten auseinander stoben. Bei Fortsetzung der Fahrt, wurden ganz in der Nähe derjenigen Ortschaften, wo sich der Markt eröffnete, einige Schafe und Ziegen, sowie eine Kuh, welche von den überraschten Hirten vergeblich im Hochgrase der Steppe geborgen ward, erbeutet, d. h. geraubt. Es ist allgemeiner Gebrauch in den Negerländern des oberen Nilgebiets nie ein Rind zu schlachten und nur die natürlichen Todes sterbenden zu verzehren; der Nubier nun, keineswegs diese Begriffe von dem Nutzen eines todtliegenden Capitals theilend, hält es den Ungläubigen gegenüber für völlig erlaubt und selbstverständlich, wenn er, um seinen Appetit zu befriedigen, einen derartigen Raub begeht. Nachmittags wird der erste Papyrus-Busch gesehen (arab. Dihss genannt), welcher nach kurzer Strecke eine so hervorragende Rolle in der Ufer-Vegetation spielt. Auch junge zweijährige Ambatsch-Colonien wurden hier nach längerer Zeit wieder wahrgenommen. Die eigentlichen Ufer des Stromes, markirt durch den beiderseitigen Waldstreifen hochstämmiger Aca. verugera, bleiben überall durch ein Gewirr von grasbewachsenen Canälen und Strominseln in bedeutendem Abstande vom Fahrwasser der Barken. Pistien, kleinen Kohlköpfen gleich in dichtgedrängten Schaaren die Wasserfläche bedeckend (von den W.-Nilfahrern Tabak der Neger genannt) und noch fester miteinander verkittet durch das feine Wassermoos der Azolla, füllen aller Orten die Hinterwasser oder stehenden Stromstellen am Ufer aus. Bei einbrechender Nacht erscheinen zum ersten Male die hochbegrasten Ufer vom Glanze unzähliger Johanniswürmchen erleuchtet.

8. Februar. Den ganzen Tag verbringen wir in mühsamem Durchzwängen der Barken durch die Grasmassen der fast zugewachsenen Stromarme. Die Schiffsführer sind in Zweifel, welchen Canälen sie folgen sollen, und 2 Barken versuchen es auf einer nördlich von der unsrigen gelegenen Straße durchzukommen. 200 Bootsleute und Soldaten müssen den ganzen Tag im Wasser an den Seilen ziehen, um mit vereinigten Kräften die einzelnen Barken um so leichter durchbringen zu können. In dieser Gegend hatte sich im Jahre der Tinneschen Expedition die merkwürdige Barre gebildet, welche, bestehend aus einem halbschwimmenden Damm angehäufter Wassergewächse, beide Ufer des Festlandes mit einander verband und Monate lang den Barken jede Passage verwehrte. Wir sind nun glücklicher daran, da unsere Fahrt in eine Stillstandsperiode der Ambatschvegetation fällt,

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_052.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)