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sich in der Schōl eine warme Freundin zu erhalten. So konnten neuerdings einzelne Barken nach Abfahrt der übrigen allein während der ganzen Regenzeit in der Meschera verweilen, ohne auch nur im Entferntesten von den Eingeborenen belästigt zu werden. Ueberall, sobald die Schiffer die von den Heerden der Schōl belebten Ufer des Stromes erreicht haben, wird ihr Eigenthum strengstens respectirt; ihrerseits verwendet die Schōl all ihren Einfluß darauf, ihre Stammgenossen zu einem friedlichen Verkehr mit den Fremden anzuhalten. Der geringste Conflict könnte ja für sie die gänzliche Einbuße ihres Viehreichthums zur Folge haben. Höchst eigenthümlich erschienen mir die häuslichen und Familien-Angelegenheiten dieser Person im Verhältniß zu ihrer öffentlichen Stellung, ihrem großen Einfluß und von Niemandem bestrittenen Reichthum. Nach dem Tode ihres früheren Mannes hat sie einen Sohn des letzteren aus anderer Ehe zum Prinzgemahl erhoben. Er nennt sich Kurdjuk, spricht gebrochen arabisch, und sucht im Verkehr mit den Fremden die erste Rolle zu spielen. Obgleich arm an Rindern seiner Frau gegenüber, und was den Einfluß auf die Stammgenossen anbelangt eine volle Null, maßt er sich dennoch einen Terrorismus gegen die erstere an, welcher bei uns unter gleichen Bewandtnissen unerhört sein würde. Er prügelt und mißhandelt seine Frau und Stiefmutter auf das Brutalste, sie die selbst, gleichsam zum Zeichen ihrer Würde, nie anders als mit einer Geißel in der Hand auszugehen pflegt.

Der Wasser- und Futtermangel während der trocknen Zeit auf dem Festlande hatte in diesem Monat die Schōl selbst auf die Insel des Landungsplatzes gebannt, wo sie nur eine Viertelstunde von den Barken inmitten einer großen Hürde in elenden Hütten campirte. An den Festlandsufern nördlich von dieser Localität befanden sich mehrere größere Dörfer mit stabilen Wohnplätzen und ausgedehnten Viehhürden. Oefters besuchte ich diese Localitäten, wo mich der Anblick großer Menschenmassen, die sich neugierig um mich drängten und ohne die geringste Frechheit zur Schau zu tragen, keinerlei Furcht noch Scheu gegen den Fremdling verriethen, im höchsten Grade ergötzte. Das Rindvieh, der weit verbreiteten Höckerrace angehörend, ist von demjenigen der Schilluk nicht im geringsten verschieden. Die weißliche oder hellgraue Hautfarbe waltet auch hier vor. Häufig ist eine Form von stabiler Erblichkeit, welche durch Hornlosigkeit und einem in der Mitte zu einem Knochenhöcker von conischer Gestalt aufgetriebenen Scheitel ausgezeichnet ist.

Diese Dinka-Neger sind wie die meisten ihres Stammes von durchweg hoher Statur, kurzem Oberkörper und tiefer Schwärze der Haut, welche, wenn von Asche gesäubert, einen deutlich braunen

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_103.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)